Ein Überblick über diverse Abstimmungsrichtlinien

Checkliste

Björn Michel, Senior Berater, Link Market Services

Bei der Vorbereitung der Hauptversammlung und der Erstellung der Tagesordnung sollten Unternehmen die Abstimmungsrichtlinien der Stimmrechtsberater und Aktionärsschützer berücksichtigen, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben: Eine Nichtbeachtung führt nicht selten zur Ablehnung von TOPs. Vermehrt müssen 2021 auch ESG-Themen beachtet werden. Es bleibt, nicht zuletzt durch den Kauf von ISS durch die Deutsche Börse AG, spannend. Hier ein grober Überblick, wann Stimmrechtsberater und Aktionärsvertreter Beschlüsse ablehnen oder diesen zustimmen werden.

Beginnen wir, analog der Standard-Tagesordnung, mit der Verwendung des Bilanzgewinns. Eine Dividendenausschüttung muss zur Unternehmenssituation passen. Der Stimmrechtsberater ISS sieht eine Ausschüttungsquote von beständig unter 30 % ohne Erklärung kritisch, die Anlegerschützer der SdK e.V. fordern eine Quote von 40–60 %, von der nur in begründeten Ausnahmefällen (beispielsweise bei einer zu geringen EK-Ausstattung oder Auflage eines Investitionsprogramms) abgewichen werden kann.

Bei der Entlastung des Vorstands ist die Entwicklung des Geschäftsverlaufs und der relevanten (Branchen-)Kennzahlen wichtig. Mangelnde Transparenz, überhöhte Bezüge und Mängel in der Informationspolitik können zur Nichtentlastung führen. Ein mögliches Overboarding (max. 3 Mandate) kann ebenfalls zu einem „Nein“ führen.

Bei der Entlastung des Aufsichtsrats führen alle Richtlinien das Thema Unabhängigkeit, Overboarding (max. 5 Mandate) und Transparenz (z. B. keine Lebensläufe, Anzahl der Sitzungen und wer diese [nicht] besucht hat) an. ISS sieht eine Entlastung nun auch bei nicht besuchten Ausschusssitzungen kritisch. Der Fondsverband BVI sieht die fehlende Benennung eines exekutiven Mitglieds bei ESG-Fragen als Ablehnungsgrund.

Eine Ablehnung bei der Bestellung des Abschlussprüfers erfolgt, wenn keine Unabhängigkeit vorliegt oder es berechtigte Zweifel an den Prüfungen gibt. Das Verhältnis von Prüfungs-/Beratungsgebühren führt zur Ablehnung, wenn die Nichtprüfungsgebühren größer sind als die Prüfungsgebühren (ISS und BVI). Die DSW sieht ein Missverhältnis ebenfalls kritisch und orientiert sich hier am AReG. Bei der SdK fordert man eine strikte Trennung; die Beratung soll maximal 25 % der Prüfungsleistung ausmachen.

Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat spielen mangelnde Unabhängigkeit, Overboarding und Qualifikationsmängel eine große Rolle. BVI spricht zudem explizit die Diversität an. Der direkte Wechsel des CEOs in den Aufsichtsrat bzw. zum AR-Vorsitzenden gilt als Ablehnungsgrund oder absolute Ausnahme. Bei einer Cooling-off-Periode werden zwei Jahre als Regel angesehen, bei der SdK sind es drei Jahre. Die Dauer der Wahlperiode sieht ISS bei maximal vier Jahren, die gesamte Amtszeit bei zwölf Jahren (BVI und SdK max. 15 Jahre). Neu bei ISS ist, dass Überwachungsversäumnisse im Umweltschutzbereich zur Ablehnung führen können.

Bei Satzungsänderungen soll es zu keiner Verschlechterung der Aktionärsrechte kommen. Kapitalmaßnahmen in Form von Aktienrückkaufprogrammen werden zumeist kritisch gesehen. Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts dürfen gemäß den meisten Richtlinien ein Volumen von max. 10 % des Grundkapitals ausmachen.

Bei der Billigung des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder werden durchweg Klarheit, Transparenz, Verständlichkeit und die Benennung von max. Höchstbeträgen verlangt. BVI führt 2021 fehlende ESG-Kriterien als Ablehnungsgrund auf. Bei der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder sollen keine variablen Bestandteile enthalten sein. Zudem sollte die Vergütung angemessen sein. Bei den Vergütungs-TOPs erwartet ISS eine Erläuterung der Ausübung von Ermessens- und Abweichungsspielräumen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Vorgaben der Stimmrechtsberater – von Ausnahmen abgesehen – in die gleiche Richtung gehen und das Thema ESG größere Beachtung erlangt. Oft kommt es auf Details an, weshalb ein genaues Studium der Richtlinien bei der Vorbereitung der Tagesordnung empfohlen ist.

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