Sind Entschädigungen aufgrund von Enteignung oder Überspannung mit einer Hochspannungsleitung steuerfrei? Der BFH fällte jüngst zwei steuerzahlerfreundliche Urteile. Aber es ist – wie gewöhnlich – kompliziert.
Ein Grundstückseigentümer hatte mit einem Netzbetreiber vereinbart, dass dieser sein Grundstück zum Bau, Betrieb und zur Nutzung elektrischer Leitungen dauerhaft nutzen kann. Um eine Enteignung zu vermeiden, wurde ins Grundbuch eine Dienstbarkeit eingetragen. Die Entschädigung, die dafür gezahlt wurde, sollte der Eigentümer jedoch als Einkünfte aus sonstigen Leistungen versteuern. Bei der Zuordnung der Einkünfte unter § 24 Nr. 1 a EStG spielt es zunächst keine Rolle, ob der Steuerpflichtige bei der Umwidmung selbst mitgewirkt hat.
Für eine Zuordnung zu den nicht steuerbaren Einkünften nach 24 Nr. 1 a EStG muss er bei Aufgabe seiner Rechte unter erheblichem wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt haben. Das schadenstiftende Ereignis darf somit nicht vom Steuerpflichtigen aus eigenem Antrieb herbeigeführt worden sein.
Entschädigungen werden immer der Einkunftsart (§ 2 EStG) kausal zugeordnet, zu der die entgangenen oder künftig entgehenden Einnahmen gehört hätten, wenn sie erzielt worden wären. Das ist jedoch oft nicht so einfach, wie zwei Urteile des Bundesfinanzhofes (BFH) zeigen.
Privat
Der BFH stellte klar, dass eine Entschädigung für einen Wertverlust durch Stromtrassen im oben genannten Fall steuerfrei ist. Bereits das erstinstanzliche Finanzgericht lehnte übrigens die Besteuerung als Einnahme aus sonstigen Leistungen mangels Freiwilligkeit ab, wollte die Entschädigung für die Überspannung jedoch den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuordnen.
Der Fall landete schließlich vor dem obersten Finanzgericht und das entschied, dass die Entschädigung für eine zeitlich nicht begrenzte Dienstbarkeit nicht zu den steuerbaren Einkünften zählt. Es handelt sich vielmehr um eine Vermögensumschichtung, denn Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zielen auf ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht ab. Hier steht aber die endgültige Aufgabe eines Vermögenswertes im Vordergrund. Das zeigt sich schon darin, dass sich Höhe der Entschädigung an der Minderung des Grundstückwertes orientiert.
Später entschied der BFH in einem weiteren Fall, dass eine Enteignung nicht als privates Veräußerungsgeschäft zu versteuern ist. Ein solches liegt nur vor, wenn es zu einer Anschaffung und einer Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist kommt.
Entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge hängen aber wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen ab. Eine Enteignung jedoch findet ohne seine Einflussmöglichkeit statt. So kann er beispielsweise den Veräußerungszeitpunkt nicht selbst bestimmen und damit über die Haltefrist eine Besteuerung vermeiden.
Gewinn- oder Überschusseinkünfte
Zählt das Grundstück aber zum Betriebsvermögen – wie dies bei landwirtschaftlichen Flächen meist der Fall ist – gehört die Entschädigung i. d. R. zum steuerpflichtigen Gewinn des landwirtschaftlichen Betriebs. Buchführende Betriebe können Entschädigungen durch Rechnungsabgrenzung – wenn die Voraussetzungen dafür vorhanden sind – gleichmäßig über die Jahre verteilen. Betrieben, die ihren Gewinn mithilfe der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist das nicht möglich.
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass alle Einnahmen in dem Jahr zu erfassen sind, in welchem die Zahlung erfolgte, ist im § 11 EStG geregelt. Allerdings entschied der BFH, dass bei Entschädigungszahlung für die Eintragung einer Dienstbarkeit zur Sicherung eines Flutungsrechts keine Verteilung möglich ist. Denn die Zahlung für diese Dienstbarkeit stellt kein Entgelt für eine (zeitlich begrenzte) Nutzung, sondern Entgelt für eine dauerhafte dingliche Belastung des Grundstücks dar. Außerdem könne das Grundstück weiterhin unverändert landwirtschaftlich genutzt werden.
Außerordentlich
Zu beachten ist außerdem der § 34 EstG. Dieser ermöglicht es unter bestimmten Voraussetzungen, steuerpflichtige Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu klassifizieren. Diese fließen üblicherweise zeitlich geballt zu. Durch die im Steuerrecht verankerte Steuerprogression würde somit nicht nur die Entschädigungszahlung das zu versteuernde Einkommen erhöhen, es käme außerdem ein höherer Steuersatz zur Anwendung.
Die sogenannte Fünftelregelung in § 34 EStG (1) mildert das ab, indem nur ein Fünftel der Entschädigung zum Einkommen addiert wird. Die Steuer, die sich daraus ergibt, stellt man nun der Steuerschuld gegenüber, die ohne Entschädigung zu zahlen wäre. Die Differenz beider Beträge wird dann wieder mit 5 multipliziert und anschließend zu der Einkommensteuer ohne die außerordentlichen Einkünfte addiert. Einmalig hohe Einnahmen werden auf diese Weise so behandelt, als würden sie gleichmäßig über fünf Jahre verteilt vereinnahmt.
Der Effekt ist umso größer, je höher die Entschädigung im Vergleich zum restlichen Einkommen ist. Von einem Mieter geleistete Abstandszahlung für die vorzeitige Entlassung aus einem Mietverhältnis kann beispielsweise beim Vermieter als außerordentlich gelten und nach § 34 EStG steuerbegünstigt sein – so ein BFH-Urteil. Für Gewinneinkünfte nach § 13 EStG (Land- und Fortwirtschaft), § 15 EStG (Gewerbebetrieb) sowie § 18 EStG (Selbstständige Arbeit) ist allerdings die Hürde deutlich höher. Die Fünftelregelung darf dann nur angewendet werden, wenn die Zahlungen auf Geschäftsvorfällen beruhen, die ungewöhnlich sind. Nur dann gelten sie als Entschädigungen. Es ist – wie gewöhnlich –kompliziert.
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