Fachkräftemangel: „Das WIR gewinnt“

Harald Rotter

Der Fachkräftemangel nicht nur bei uns ist eklatant und wird immer größer. Erfahrung in der Lösung einer solchen Mangellage haben Fußballvereine. Sie bilden das Fachpersonal selbst aus, versuchen das vorhandene Fachpersonal zu halten und als Verein durch ein attraktives Umfeld oder Gehalt – im Idealfall beides – neues Fachpersonal anzuziehen.

Können wir, kann unsere Politik, von diesen Erfahrungen profitieren? Beispiel Ausbildung: Während Fußballvereine neue Ausbildungszentren schaffen, schaffen wir unsere Schulen praktisch ab. Die Infrastruktur dort wurde über Jahrzehnte heruntergewirtschaftet. Während der Sport ständig neue Ausbildungsideen entwickelt, lässt die deutsche Bildungspolitik jegliche Kreativität vermissen. Gefragt wären Lösungen, um Studienwillige direkt nach dem Schulabschluss zunächst für ein Jahr in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine Win-win-Situation für die Jugendlichen und die Wirtschaft. Die Auszubildenden sammeln praktische Erfahrung und die Ausbildungsbetriebe könnten mit dualen Studienangeboten das Fachpersonal von morgen gewinnen. 

Außerdem müssen wir das Potenzial im Land nutzen. Deutschland hat in den vergangenen Jahren sehr viele Migranten aufgenommen. Darunter gibt es mit Sicherheit zahlreiche Fachkräfte. Doch unsere Behörden tun sich furchtbar schwer damit, ausländische Bildungsabschlüsse anzuerkennen. Und zum anderen zeigen sie sich anscheinend völlig unflexibel, wenn es darum geht, gut integrierten und hier im Lande ausgebildeten Migranten einen dauerhaften Aufenthalt zu genehmigen. Immer wieder ist in den Medien von in Ausbildung befindlichen und gut integrierten Flüchtlingen zu lesen, die abgeschoben werden sollen. Bei der Abschiebung von Straftätern dagegen tun sich die Behörden gefühlt deutlich schwerer. Willkommenskultur verkehrt!

Leider ist Deutschland aber auch nicht attraktiv genug, um im weltweit zunehmenden Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten. Das ZEW sieht in seinem Index zu wirtschaftlichen Attraktivität Deutschland nur auf Platz 18. Vor uns stehen u. a. die USA, Kanada, Schweden, Großbritannien, Polen und Tschechien. Der Mangel an Attraktivität fängt schon mit der Bezahlung an (Beispiel Pflege) und findet in der steuerlichen Betrachtung (auf Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberebene) seine Fortsetzung. Welche Fachkraft sieht ihre berufliche Zukunft außerdem in einem Land, dessen Infrastruktur marode ist, dessen Rentensystem auf wackligen Beinen steht, dessen Wirtschaftssystem zunehmend planwirtschaftliche Züge trägt und in dem erfolgreiches Unternehmertum als Übergewinn gegeißelt wird. Fachkräfte besitzen dazu die intellektuelle Fähigkeit, zu erkennen, dass ihnen die Wohlfahrtsgeschenke der Politik irgendwann in Rechnung gestellt werden und sich eine unternehmerfeindliche Stimmung nur negativ auf die eigene berufliche Situation auswirken kann. Zudem schwebt über allem die enorme Verschuldung vieler Eurostaaten. Sehr einladend ist das bei aller bemühten Willkommenskultur nicht wirklich.

Letztlich ist ein Verein aber immer nur so attraktiv und erfolgreich wie das dahinterstehende Team. Es kommt also auf jeden Einzelnen an. Wir, Deutschland, müssen uns deshalb alle schnellstens aus dem Krisenmodus befreien und uns wieder bewusst machen, dass wir nur das verdienen können, was wir uns erwirtschaften, und nicht von dem leben, was uns der Staat schulden- oder steuerfinanziert „schenkt“. Denn das wird er sich wieder zurückholen. Helfen wir uns selbst, entwickeln wir wieder eine Lust, dieses Land voranzubringen, und begeistern wir dadurch neue Kräfte für unsere „Nationalmannschaft“. Wir schaffen das! 

Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 2/23.

AnlegerPlus