Von David Kohl, Bank Julius Bär
Die Fiskalpolitik löst im Jahr 2024 die Geldpolitik als prominenten konjunkturellen Gegenwind ab. Weniger Inflation, Vollbeschäftigung und die Hoffnung auf einen Anstieg der Produktivität sind die wichtigsten Gründe für ein positives Wirtschaftswachstum.
Die Wirtschaftspolitik hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und hat gute Chancen, die globale Wachstumsdynamik im Jahr 2024 zu bestimmen, allerdings eher als politischer Gegenwind. Der restriktive geldpolitische Kurs hat die Nachfragedynamik in den USA, Europa und den Schwellenländern im Jahr 2023 unter Druck gesetzt. Für 2024 wird eine Änderung des geldpolitischen Kurses erwartet. Dieser Wechsel könnte sich jedoch als weniger substanziell und damit konjunkturförderlich erweisen als erhofft.
Hinzu kommt eine Fiskalpolitik, die im vergangenen Jahr in den USA einen starken Wachstumsimpuls lieferte, womit die Hürden für einen weiteren positiven Konjunkturimpuls im Jahr 2024 sehr hoch sind. In Europa verringert sich ebenfalls der Spielraum für schuldenfinanzierte Ausgabenpolitik, da zunehmend wieder die institutionellen Schuldenbegrenzungen gelten.
Die Konjunktur ist daher im Jahr 2024 von den eigenen Wachstumsimpulsen der Wirtschaft abhängig. Vollbeschäftigung, Lohnsteigerungen und eine rückläufige Inflation sorgen für Nachfragewachstum. Die Kombination eines hohen Vermögensstands und moderater Verschuldung des Privatsektors erzeugt zusätzliches Wachstumspotenzial. Gleichzeitig gibt es erste Anzeichen, dass Investitionen und technische Neuerungen den jahrelangen Rückgang des Produktivitätswachstums umkehren könnten.
Investitionen prägen diesen Konjunkturzyklus
Die Investitionen, den geopolitischen Herausforderungen zu begegnen, die Veränderung des Klimas zu begrenzen und die geschäftlichen Möglichkeiten der rasanten Entwicklung bei künstlicher Intelligenz auszuschöpfen, sind bereits seit einiger Zeit ein Wachstumsmotor und unterscheiden den aktuellen Konjunkturzyklus deutlich von der Entwicklung in der letzten Dekade.
Investitionen legen die Grundlage für stärkeres Produktivitätswachstum und die Chance, dass einer steigenden Nachfrage ein größeres Angebot gegenübersteht. Diese wirtschaftliche Entwicklung zeichnet sich am deutlichsten in den USA ab, während in Europe mangelnde Zuversicht, Unsicherheiten bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und politische Hindernisse den strukturellen Wandel und damit Angebotsausweitungen verzögern.
Die Aussichten für die Wirtschaft insgesamt sind dennoch moderat positiv. Europa profitiert von einem sich verbesserten Ausgangspunkt für höhere Nachfrage dank realen Lohnzuwächsen. Die Inflation wird im Jahr 2024 geringer als die erwarteten Lohnsteigerungen ausfallen, was zu realen Kaufkraftzuwächsen führt.
China mit begrenzter Kauflaune
Die Aussichten für China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, sind durch gänzlich gegenteilige Tendenzen gekennzeichnet. Rückläufige Immobilienpreise und eine hohe Verschuldung der privaten Haushalte belasten die Kauflaune. Gleichzeitig setzt die Politik in China lediglich auf eine moderate Unterstützung der Wirtschaft, die sich zudem in erster Linie auf den Unternehmenssektor fokussiert und kaum Entlastung bei den privaten Haushalten bringt. Die globalen Folgen dürften mehr Produktion und geringere Nachfrage aus China sein und damit geringerer Inflationsdruck.
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