Von Marcel Meier, Börse Stuttgart
Kaum eine Frage wird derzeit an den Finanzmärkten heißer diskutiert – und tatsächlich weisen die Kryptowährung und das Edelmetall interessante Parallelen auf. Wie steht es um Angebot, Aufbewahrung und Umweltbilanz und welcher Aspekt könnte am Ende für Anleger entscheidend sein?
Wer der Frage nachgeht, ob der Bitcoin womöglich das neue Gold ist, stößt direkt zu Beginn auf einen extremen Unterschied: Als die ersten Menschen um das Jahr 4.600 v. Chr. in Mesopotamien begannen, Gold für Schmuck und zum Tausch zu verwenden, war noch nicht einmal das Rad erfunden.
Bei der Veröffentlichung des ersten Bitcoin-Whitepapers durch den anonymen Erfinder Satoshi Nakamoto im Oktober 2008 hingegen hatte Apple bereits sein erstes iPhone auf den Markt gebracht. Während Gold seither in unzähligen Kulturen hoch im Kurs stand, muss der Bitcoin seine langfristige Bedeutung erst noch unter Beweis stellen.
Begrenztes Angebot
Neben der Vergangenheit ist auch der Blick in die Zukunft interessant – denn bei Gold wie bei Bitcoin ist das Angebot in gewisser Weise begrenzt. Nachdem über die Jahrhunderte bis dato weltweit rund 170.000 Tonnen Gold gewonnen wurden, wird das aktuell noch förderbare Vorkommen auf 50.000 bis 60.000 Tonnen geschätzt.
Exakter definiert ist die verfügbare Menge beim Bitcoin: Diese ist auf 21 Millionen Coins limitiert, wovon sich bereits über 91 % im Umlauf befinden. Nach derzeitigem Stand wird der letzte „neue“ Bitcoin etwa im Jahr 2140 geschürft.
Dabei verhalten sich Bitcoin und Gold in ihrer Fördermenge konträr zueinander. Über 168.000 der bisher rund 170.000 geförderten Tonnen Gold wurden erst seit dem Jahr 1869 aus der Erde geholt. Dabei stieg die Fördermenge kontinuierlich: Wurden 1960 weltweit 1.190 Tonnen Gold gefördert, waren es 1990 bereits 2.180 Tonnen und 2020 schließlich 3.400 Tonnen.
Völlig anders die Lage beim Bitcoin: Durch das ungefähr alle vier Jahre stattfindende Halving (dt. Halbierung) wird die Menge neuer Bitcoins, die vom Mining-Netzwerk erzeugt werden, reduziert. Dadurch wird zudem die Verfügbarkeit neuer Bitcoin limitiert.
Im Gegensatz zu Gold, dessen verfügbares Angebot durch bessere Förderanlagen und neue Fördergebiete noch zunehmen könnte, wird das Angebot an neuen Bitcoins also voraussichtlich stetig geringer. Außerdem soll bereits bis heute auf drei bis vier Millionen Bitcoin nicht mehr zugegriffen werden können, da die Besitzer ihre Zugangsschlüssel verloren haben.
Hohe CO2-Emissionen
Apropos Bitcoin-Mining: Zuletzt nahm die Diskussion um die Umweltbilanz der Kryptowährung Fahrt auf. Bereits im Jahr 2018 berechneten Geografen der Universität Hawaii, dass der Bitcoin pro Jahr 69 Mio. Tonnen CO2 verursacht. Andere Experten beziffern den CO2-Ausstoß auf 37 Mio. Tonnen pro Jahr. Dies liegt an den enormen Energiemengen, die die Mining-Anlagen zum Schürfen neuer Coins und zum Verifizieren und Absichern von Transaktionen auf der Blockchain durch das Lösen von Rechenoperationen benötigen.
Doch auch Gold kann mit seiner Umweltbilanz kaum glänzen: Laut World Gold Council verursacht die Förderung einer Tonne Gold CO2-Emissionen in Höhe von 32.689 Tonnen. Bei einer Förderung von 3.400 Tonnen Gold im Jahr 2020 ergibt sich für die Goldproduktion somit ein CO2-Ausstoß von rund 111 Mio. Tonnen – also deutlich mehr als beim Bitcoin. Darüber hinaus führt der Goldbergbau laut Angaben des WWF zu Entwaldung, zur Kontaminierung von Gewässern und vielen weiteren Umweltschäden.
Bitcoin und Gold als Wertspeicher
In Bezug auf ihre Eigenschaften als Anlageklasse weisen Bitcoin und Gold eine Gemeinsamkeit auf: Beide werfen für Anleger keine laufenden Erträge wie Dividenden oder Zinsen ab. Einzig durch Kursgewinne bietet sich die Möglichkeit, eine Rendite zu erzielen. Damit fungieren Gold und Bitcoin eher als Wertspeicher denn als ertragsorientierte Investition.
Gemein ist beiden auch die aktuell hohe Nachfrage von Anlegern: So sind bei der BISON App der Börse Stuttgart bereits weit über 400.000 Nutzer im Handel mit Kryptowährungen aktiv. Gleichzeitig stieg der Edelmetallbestand beim ETC EUWAX Gold II, das zu 100 % mit physischem Gold hinterlegt ist, zuletzt auf über 15 Tonnen an.
Gold präsentiert sich dabei bereits über einen langen Zeitraum hinweg als „sicherer Hafen“. So erlitt der Goldpreis während des Coronacrashs im Frühjahr 2020 vergleichsweise kleine Verluste, bevor er – ganz im Sinne einer Krisenwährung – im August letzten Jahres bei 2.075 US-Dollar ein neues Allzeithoch erreichte.
Im selben Zeitraum war der Bitcoin-Kurs deutlich volatiler – im April 2021 markierte er bei über 53.000 Euro ein Rekordhoch und fiel anschließend binnen eines Monats bis auf rund 30.000 Euro. Insgesamt muss der Bitcoin also erst weitere Stresstests wie beispielsweise anhaltende Wirtschaftskrisen überstehen, um seinen Ruf als neue Krisenwährung zu untermauern.
Die Frage der Aufbewahrung
Bei der Diskussion um eine Krisenwährung spielt auch deren Aufbewahrung eine wichtige Rolle. Bei Gold sorgen die chemischen Eigenschaften dafür, dass das Edelmetall über einen sehr langen Zeitraum gelagert werden kann. Gold reagiert weder mit Luft noch mit Wasser und kann auch anspruchsvollen Witterungsbedingungen trotzen.
Zudem benötigt Gold wenig Platz: Packt man eine Zigarettenschachtel voller Gold, bringt diese über zwei Kilo auf die Waage – das entspricht einem Wert von über 100.000 US-Dollar.
Der Bitcoin benötigt physisch gesehen gar keinen Platz: Der Schlüssel zu den virtuellen Coins liegt oft auf einer Offline-Wallet, also einem speziellen Datenspeicher. Somit findet die Aufbewahrung beim Bitcoin nahezu vollständig digital statt.
Einsatz als Zahlungsmittel
Bei der Teilbarkeit von Bitcoin- und Gold-Beständen hat die Kryptowährung die Nase vorn. Zwar lässt sich Gold einschmelzen und grammgenau in Form gießen oder sogar feilen – doch die Produktion kleiner Gold-Einheiten verursacht höhere Kosten. Der Bitcoin hingegen kann digital ganz simpel in Einheiten bis zu einem Hundertmillionstel unterteilt werden.
Deshalb lässt sich der Bitcoin auch als Zahlungsmittel nutzen: Dabei wird die Übertragung der Coins innerhalb von Sekunden völlig digital vollzogen und im 10-Minuten-Takt auf der Blockchain gespeichert. Zwar ist die Bezahlung via Bitcoin längst nicht überall akzeptiert, doch es gibt erste Vorreiter wie PayPal oder Starbucks.
Im Gegenzug ist die Akzeptanz von Gold wohl überall auf der Welt gegeben. Besonders in Krisenzeiten ließe sich das Edelmetall allerorts gegen Waren eintauschen. Doch aufgrund der schwierigen Stückelung erweist sich diese Bezahlform in der Realität als wenig praktikabel. Fest im Alltag verankert ist keines der beiden Assets: Weder mit Gold noch mit Bitcoin lassen sich derzeit herkömmliche Einkäufe tätigen.
Vertrauen der Anleger
Beim Vertrauen in die Krisenwährung zeigt sich bei Bitcoin und Gold eine gewisse Ambivalenz. Bei einem Großteil der Bevölkerung dürfte das Vertrauen in Gold höher sein als das in Bitcoin – trotz Skandalen wie im August 2020: Damals flog das chinesische Unternehmen Kingold Jewelry auf, das Kredite in Milliardenhöhe einsammelte und als Sicherheit Gold hinterlegte. Doch davon bestanden mindestens 83 Tonnen aus Kupfer und waren lediglich mit Gold überzogen.
Dem gegenüber steht der Bitcoin, der durch die Blockchain-Technologie völlige Transparenz schafft. Dort sind alle jemals getätigten Bitcoin-Transaktionen hinterlegt, die zusammen eine chronologische Reihenfolge ergeben und nachträglich nicht mehr verändert werden können.
Eben dieses Vertrauen dürfte entscheidend für die Frage sein, ob der Bitcoin Gold als Krisenwährung ergänzen oder gar ablösen kann. Sobald die Mehrheit der Anleger davon überzeugt ist, dass der Bitcoin langfristig als Wertspeicher funktioniert, könnte dieser eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Krisenwährung Gold darstellen.
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