Hauptversammlung: neue Investoren, neu Chance für Artnet?

Artnet Hauptversammlung

Die Artnet AG verfügt im Kunstmarkt über eine einzigartige Position. Dennoch blieb der wirtschaftliche Erfolg bislang aus. Nach der Hauptversammlung könnte sich das ändern: Mit den sich abzeichnenden Veränderungen in der Aktionärsstruktur könnte sich dies nun ändern.

Das Berliner Unternehmen Artnet zählt in mehreren Bereich zu den festen Größen der Kunstwelt. Mit dem Aufbau einer umfassenden, qualitativ hochwertigen Preisdatenbank hat Artnet dem Kunstmarkt ab den 2000er-Jahren erstmals echte Transparenz verliehen. Die Onlineplattform „Artnet Auctions“ rangiert weltweit auf Platz fünf der weltweit größten Auktionshäuser direkt hinter Sotheby’s, Christie’s, Phillips und Bonhams. Auch „Artnet News“ behauptet eine führende Rolle und gilt als meistgenutzte Nachrichtenquelle der Branche. Viele Marktteilnehmer greifen täglich auf das Portal zurück, um sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Nicht profitabel

Trotz dieser starken Marktstellung schreibt Artnet rote Zahlen. Hauptgrund ist in erster Linie das relativ überschaubare Umsatzvolumen, das nicht ausreicht, um die Kosten zu decken. Zusätzlich belastete in den vergangenen Jahren ein zunehmend schwieriges Marktumfeld die Entwicklung. Während bis 2022 regelmäßig zumindest ein leichtes Wachstum erzielt werden konnte, ging der Umsatz im Geschäftsjahr 2023 auf 23,3 Mio. Euro (Vj. 25,0 Mio. Euro) zurück und das Betriebsergebnis war mit −1,9 Mio. Euro deutlich negativ (Vj. −1,6 Mio. Euro).

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In den ersten neun Monaten 2024 hielt der Abwärtstrend an. Der Umsatz sank auf 16,2 Mio. Euro (Vj. 17,1 Mio. Euro) und das Betriebsergebnis lag bei −1,3 Mio. Euro (Vj. −1,4 Mio. Euro). Auf die unbefriedigende Ertragslage ging Vorstand Jacob Pabst in der Hauptversammlung (HV), die am 27. Februar in Berlin stattfand, allerdings nur am Rande ein.

Zur unerfreulichen Ergebnisentwicklung dürfte aber die enge Verflechtung mit der Familie des Firmengründers Hans Neuendorf mitbeigetragen haben, die lange Zeit die größte Anteilseignerin war. Sie dominierte über Jahre den Aufsichtsrat und stellt bis heute den Vorstand. Wie auf der HV auf Nachfrage bekannt wurde, erhielt der inzwischen 87-jährige Familienpatriarch neben seiner Aufsichtsratstantieme allein zwischen 2018 und 2023 über einen Beratervertrag Zahlungen in Höhe von mehr als 1,8 Mio. Euro. Zudem stellte die Familie dem Unternehmen regelmäßig hochverzinste Darlehen zur Verfügung, um die Liquidität zu sichern, und sicherte sich damit weitere Mittel aus der Firmenkasse. Kein Wunder also, dass kein Geld verdient wird und keine Dividenden ausgeschüttet wurden. Inzwischen erkennen aber offenbar einige Marktteilnehmer das enorme Potenzial im Geschäftsmodell von Artnet, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen verändern sich. Bereits vor einigen Jahren stieg die ebenfalls in der Kunstbranche tätige Weng Fine Art AG (WFA) ein, die mit rund 29 % derzeit größte Anteilseignerin ist. Vorstand Rüdiger Weng hoffte auf eine strategische Partnerschaft. Nach seiner Darstellung blockierte Hans Neuendorf jedoch jede Form der Kooperation. Am Ende schien es dennoch zu einer Einigung gekommen zu sein.

Artnet: Hauptversammlung fast bis Mitternacht

Auf der Einladung zur HV fanden sich jedenfalls neben Sophie Neuendorf und dem französischen Unternehmer Frédéric Jousset auch Rüdiger Weng als Kandidat für den Aufsichtsrat. Doch dann kam plötzlich alles anders. In den späten Abendstunden der HV, die sich fast bis Mitternacht hinzog, präsentierte Bill Fine, Präsident von Artnet Worldwide, überraschend einen völlig neuen Vorschlag. Bei einer hohen Präsenz von 88,8 % wurde dieser mit knapper Mehrheit angenommen. Der neue Aufsichtsrat besteht nun aus dem Berliner Rechtsanwalt Pascal Decker, Rory Normanton, CEO des Kunstportals Artfacts, sowie dem in der Branche bestens vernetzten Roy Israel.

In den Tagen nach der Hauptversammlung folgten dann weitere überraschende Entwicklungen. Zunächst teilte die WFA mit, dass sie mit der in San Francisco ansässigen Art Technology Holdings (ATH) über einen Verkauf ihrer Anteile zum Stückpreis von 11 Euro verhandelt. Kurz darauf wurde bekannt, dass die Familie Neuendorf einen Großteil ihrer Aktien für 10 Euro je Stück an Investor Andrew Wolff veräußert.

Nach vielen Jahren des Stillstands kommt nun spürbar Bewegung in die Artnet-Story. Dass die Familie Neuendorf als Großaktionärin ausscheidet, könnte ein Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte sein. Künftig könnten branchenerfahrene Investoren die Richtung vorgeben mit dem klaren Ziel, Profitabilität zu erreichen. Denkbar wäre sogar ein Übernahmeangebot der ATH. Für spekulativ orientierte Investoren könnte die Aktie auf dem aktuellen Kursniveau von knapp über 8 Euro daher einen Blick wert sein.

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Foto: © Albrecht Fietz auf Pixabay

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