Trotz eines leichten Rückgangs im Juni ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im zweiten Quartal 2025 auf einen neuen Höchstwert gestiegen. Laut aktuellem Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) liegt sie so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr – sogar über dem Niveau der Finanzkrise 2009. Besonders betroffen sind Industrie, Handel und Gastronomie. IWH-Forscher sprechen von einem überfälligen Bereinigungseffekt am Markt.
Trotz eines leichten Rückgangs im Juni ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im zweiten Quartal 2025 auf den höchsten Stand seit 2005 gestiegen. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor. Demnach wurden im Juni 1.420 Unternehmensinsolvenzen gezählt – vier Prozent weniger als im Mai, aber immer noch 23 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Verglichen mit den Juni-Werten aus der Zeit vor der Pandemie (2016 bis 2019) liegt das Plus bei 50 Prozent.
Auch die Zahl der von Großinsolvenzen betroffenen Arbeitsplätze bleibt hoch. Im Juni waren in den größten zehn Prozent der insolventen Firmen etwa 16.000 Jobs betroffen – ein Anstieg von 68 Prozent gegenüber Juni 2024 und rund 43 Prozent mehr als im Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre.
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Industrie besonders betroffen
Insgesamt meldet das IWH für das zweite Quartal 2025 4.524 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften – 7 % mehr als im bereits rekordträchtigen ersten Quartal. Damit liegt der Wert sogar über dem Niveau der Jahre nach der globalen Finanzkrise 2009.
Besonders häufig traf es Unternehmen aus der Industrie, dem Handel sowie dem Hotel- und Gastgewerbe. In der Industrie war die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze mit Abstand am höchsten. Auch regional betrachtet zeigt sich eine Zunahme: In den meisten Bundesländern wurden Höchststände bei den Insolvenzen verzeichnet, mit besonders starken Zuwächsen in Bayern (+80 %), Hessen (+79 %) und Baden-Württemberg (+76 %) gegenüber dem ersten Quartal 2020 – also noch vor dem Einfluss der Pandemie.
Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, sieht in dem Anstieg nicht allein ein Spiegelbild der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Über Jahre hinweg hätten sehr niedrige Zinsen Insolvenzen verhindert. In der Pandemiezeit seien zudem durch staatliche Hilfen auch viele schwach aufgestellte Unternehmen am Markt geblieben. Der Zinsanstieg ab Mitte 2022 und das Auslaufen dieser Hilfen hätten nun zu einem Nachholeffekt geführt. Die aktuellen Entwicklungen seien „schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen“, so Müller. Sie eröffneten Raum für wirtschaftlich tragfähigere Strukturen.
IWH-Insolvenztrend als Warnsignal
Der IWH-Insolvenztrend gilt als zuverlässiger Frühindikator, da er auf einer Auswertung aktueller Insolvenzbekanntmachungen der Registergerichte basiert und mit Unternehmensdaten verknüpft wird. Die so ermittelten Zahlen weichen nur geringfügig von der amtlichen Statistik ab, die in der Regel mit zwei Monaten Verzögerung erscheint. Dabei werden im IWH-Trend gezielt nur Personen- und Kapitalgesellschaften erfasst – also jene Unternehmensformen, die für die wirtschaftliche Gesamtlage besonders relevant sind. Über 90 Prozent der von Unternehmensinsolvenzen betroffenen Arbeitsplätze und 95 Prozent der Gläubigerforderungen werden so abgebildet.
Im Unterschied dazu umfasst die amtliche Statistik zu sogenannten Regelinsolvenzen auch Kleinstunternehmen und natürliche Personen wie Selbstständige oder privat haftende Gesellschafter. Die dort ausgewiesenen Veränderungen können daher deutlich vom IWH-Trend abweichen und sind gesamtwirtschaftlich weniger aussagekräftig.
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