Von Frank Mohr, Société Générale
ETFs erfreuen sich seit vielen Jahren einer großen Beliebtheit bei Anlegern. Sie sind einfach zu handhaben, kostengünstig und in den meisten Fällen liquide. Wie diese Liquidität entsteht und wovon sie abhängt, ist jedoch weniger bekannt.
Es gibt beim ETF-Handel einen entscheidenden Unterschied zum Aktienhandel, wo sich Käufer und Verkäufer direkt an der Börse treffen und damit den Kurs einer Aktie feststellen: Im ETF-Handel sorgen Market Maker dafür, dass es jederzeit Kauf- und Verkaufskurse gibt. Dazu greifen sie auf einen speziell für den ETF-Markt entwickelten Mechanismus zurück.
Allein auf der größten europäischen ETF-Börse XETRA stehen inzwischen mehr als 2.000 Produkte mit einem Gesamtvolumen von rund 1 Billion Euro1 zur Verfügung. Wer als Anbieter in Deutschland einen ETF an der Börse registrieren will, benötigt dazu einen Market Maker, mindestens einen Designated Sponsor sowie einen Authorized Participant (AP). Häufig – aber nicht zwangsläufig – treten Market Maker auch in den beiden anderen Funktionen auf.
An XETRA sind 21 Market Maker registriert, 15 davon sind auch als Designated Sponsor tätig. In den letzten Jahren haben sich einige neue Anbieter mit spezialisierten Handelssystemen in diesem Bereich etabliert, da nur wenige Banken über die technologischen Voraussetzungen verfügen, um ETF-Preise präzise zu berechnen und an den Börsen oder anderen Handelsplätzen zu quotieren. Société Générale ist einer der größten ETF Market Maker in Europa und an allen großen europäischen Börsen aktiv.
Market Maker, Designated Sponsor und Authorized Participant erfüllen unterschiedliche Aufgaben, die ineinandergreifen und dadurch für Liquidität in den Märkten sorgen. Während Market Maker opportunistisch agieren können, um jederzeit die passende Gegenseite zu einem Käufer oder Verkäufer einzunehmen, sind Designated Sponsor dazu verpflichtet, nach den Vorgaben der Deutschen Börse Geld- und Briefkurse zu stellen sowie entsprechende Stückzahlen zu zeigen. Die AP wiederum haben das Recht, bei einem ETF-Anbieter entweder neue ETF-Anteile zu zeichnen oder zurückzugeben.
Dieser sogenannte Creation-Redemption-Prozess beginnt bei den Market Makern, die vor Beginn jedes Handelstages zunächst den exakten Wert eines ETFs auf Basis seiner aktuellen Zusammensetzung berechnen. Daraufhin legen sie die Kauf- und Verkaufskurse für den ETF fest, auch als Geld-Brief-Spanne oder Spread bezeichnet. Der Spread enthält sowohl alle Kosten, Steuern und Gebühren, die beim Market Maker für Transaktionen mit den zugrundeliegenden Wertpapieren anfallen, als auch den Ertrag, den er mit Geschäftsabschluss erzielen möchte.
Eine „Creation“ wird ausgelöst, wenn der Market Maker eine Kauforder für ETFs erhält, die er nicht selbst im Bestand hat. In der Rolle als AP kann er neue ETF-Stücke zum Net Asset Value (NAV) zeichnen und damit „erschaffen“. Im Gegenzug liefert er Aktien oder Anleihen mit der passenden Gewichtung an den ETF-Anbieter. Dadurch bekommt der Fonds die Wertpapiere, die er halten muss, um den Index abzubilden, und der Market Maker erhält die ETF-Anteile, die er an den ursprünglichen Käufer an der Börse liefern muss, und das in der Regel innerhalb von zwei Tagen. Genau entgegengesetzt läuft der Vorgang ab, wenn der Anleger ETFs verkaufen möchte. Dann kommt es zu einer Rückgabe oder Redemption.
Dieser Mechanismus erlaubt es den Market Makern, unter normalen Marktbedingungen jederzeit Geld- und Briefkurse für die ETFs zu stellen. Ausschlaggebend ist dabei immer der zugrundeliegende Markt der im ETF enthaltenen Vermögensgegenstände, seien es DAX-Aktien, thematische Indizes oder Schwellenländer-Staatsanleihen. Bei globalen Indizes ist der Preisfindungsprozess etwas komplexer, da nicht alle Märkte gleichzeitig geöffnet sind. Die Market Maker können dann jedoch mithilfe anderer Quellen, wie zum Beispiel den Futures-Märkten, Kurse berechnen.
Solange der zugrundeliegende Markt liquide ist, stellen Market Maker jederzeit Preise für den entsprechenden ETF, und zwar unabhängig vom an der Börse gehandelten Volumen. Ob 100 oder 1.000 Stück oder ein Vielfaches davon: Der ETF bleibt handelbar, da die Market Maker durch den Creation-Redemption-Prozess stets auf den entsprechenden Wertpapiermarkt zugreifen können.
Bei ETFs mit höheren Volumina ist zwar in der Regel auch der Handel aktiver, da deutlich mehr Käufer und Verkäufer im Orderbuch stehen. Aber auch ETFs mit geringem Volumen können hochliquide gehandelt werden, solange der zugrundeliegende Markt Zugang gibt. Das gilt übrigens auch für Marktphasen mit hoher Volatilität, selbst wenn die Spreads dann teilweise weiter ausfallen. Häufig sind in volatilen Märkten sogar mehr Market Maker und AP aktiv als in ruhigeren Phasen.
Der für alle Anlegerinnen und Anleger sichtbare Börsenhandel macht allerdings nur rund 30 % des gesamten ETF-Umsatzes aus. Institutionelle Investoren kaufen und verkaufen ETFs meist im OTC-Bereich über den direkten Kontakt mit Market Makern und erreichen damit 70 % des ETF-Umsatzes. Auch diese Transaktionen werden mit etwas zeitlicher Verzögerung am Markt sichtbar. Noch umfangreicher als diese beiden Sekundärmärkte zusammen ist jedoch der Primärmarkt, an dem die zugrundeliegenden Wertpapiere für ETFs angezapft werden. Die größte Liquiditätsquelle für den ETF-Markt bleibt daher unsichtbar (siehe Schaubild).
Zum Autor
Frank Mohr ist seit März 2020 als Global Head ETF Sales Trading bei Société Générale in Frankfurt tätig. Zuvor agierte er viele Jahre in verschiedenen Positionen für die Commerzbank AG, unter anderem als Head Equity Retail Sales und Global Head ETF Sales Trading.
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