Nullzinspolitik einfach erklärt

Zinsen

Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Staatsschuldenkrise – die Nullzinspolitik war stets wesentlicher Bestandteil der Rettungsaktionen der Zentralbanken. Dies wird sich in der Coronakrise nicht ändern.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Auslöser Nr. 1: Die Finanzkrise
  3. Auslöser Nr. 2: Die Schuldenkrise
  4. Warum die EZB die Zinsen gesenkt hat
  5. Zinspolitik der FED vs. Zinspolitik der EZB
  6. Was die Nullzinspolitik mit der Inflation zu tun hat

Einleitung

Die Muster ähneln sich. Billiges Geld traf bereits Ende des 20. Jahrhunderts auf eine zunehmende Globalisierung und in Form von Fremdwährungskrediten schwappte es auch in die Schwellenländer. Traten die Notenbanken auf die Bremse, platzte gelegentlich eine Blase: in Japan, den Tigerstaaten und den USA. Dann begann das Spiel erneut. Niedrige Leitzinsen waren das Patentrezept gegen Aufwertungen der Währung, drohende Rezessionen und soziales Auseinanderdriften.

Auslöser Nr. 1: Die Finanzkrise

Vor der Finanzkrise beispielsweise vergaben die US-Banken reichlich Hypothekenkredite auch an amerikanische Haushalte, die wenig verdienten und über kein nennenswertes Vermögen verfügten. Das Risiko reichten die Banken weiter, indem sie diese Kredite bündelten und daraus handelsfähige Wertpapiere bastelten, die wiederum verbrieft wurden. Die Wertpapiere wurden so oft aufgeteilt und neu verpackt, dass schließlich niemand mehr wusste, welche Kreditrisiken genau darin enthalten waren – stille Post für Risiken.

Als nun viele Hausbesitzer ihre Darlehen nicht mehr bedienen konnten, weil ein flexibler Zinssatz vereinbart war und der Leitzins wieder stieg, brach der US-Immobilienmarkt endgültig zusammen. Im September 2008 meldete schließlich die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Die Verflechtungen an den Finanzmärkten sorgten dafür, dass der Finanzsektor anderer Länder ebenfalls ins Wanken geriet.

Auslöser Nr. 2: Die Schuldenkrise

Aus der Finanz- wurde eine weltweite Wirtschaftskrise und schließlich die Schuldenkrise der EU, denn der Abschwung belastete viele Staatshaushalte. Außerdem hatte die Einführung des Euro auch einige strukturelle Schwächen. Der einheitliche Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) war für manche Euroländer teilweise zu niedrig und hatte dort einen Boom auf Kredit befeuert.

Löhne und Preise stiegen, sodass die Länder ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit verloren. Da durch die gemeinsame Währung kein Ausgleich durch eine Abwertung mehr möglich war, verschärften sich die wirtschaftlichen Unterschiede der Mitgliedsstaaten. Allerdings war das Risikobewusstsein nach der Finanzkrise gestiegen und so wurden Rettungsschirme aufgespannt.

Warum die EZB die Zinsen gesenkt hat

Die Niedrigzinspolitik der EZB war wesentlicher Bestandteil der Rettungsaktionen. Auf den Punkt brachte es der damalige EZB-Präsident Draghi mit seiner inzwischen legendären Bemerkung „whatever it takes“. Die Höhe der Staatsschulden der Krisenländer erlaubte außerdem keine höheren Zinsen (siehe Abb. 1), ohne deren Staatshaushalte weiter in die roten Zahlen zu treiben.

Die EZB wollte mit ihrer Politik vor allem Zeit für Reformen kaufen. Einiges wurde sogar auf den Weg gebracht, wie etwa der Europäische Fiskalpakt oder das Europäische System der Finanzaufsicht. Doch die Niedrigzinspolitik führte auch zu einer Vermögensumverteilung. Allein Deutschland hat nach Berechnungen der Deutschen Bundesbank seit Ausbruch der Finanzkrise bis Ende 2019 etwa 436 Mrd. Euro weniger für den Schuldendienst ausgeben müssen. Dagegen mussten die Sparer auf Zinseinkünfte verzichten. Für die Jahre 2010 bis 2019 büßten private Haushalte dadurch unter dem Strich rund 358 Mrd. Euro ein – so eine Schätzung der DZ Bank.

Zinspolitik der FED vs. Zinspolitik der EZB

Während die amerikanische Notenbank (Fed) ab 2016 die Leitzinsen wieder vorsichtig anhob, blieb er im Euroraum unangetastet (siehe Abb. 2). Damit hatte die EZB ihr vormals wichtigstes Instrument der Geldpolitik weitergehend aus der Hand gegeben. Die Geldpolitik befand sich somit noch im Krisenmodus, als die Corona-Pandemie einen nahezu weltweiten Shutdown erzwang. Allein in diesem Jahr könnten die Steuereinnahmen in Deutschland um fast 100 Mrd. Euro einbrechen. 2020 ist eine Neuverschuldung in Höhe von rund 218 Mrd. Euro geplant, denn es sind auch Hilfs- und Konjunkturpakete zu finanzieren.

Was die Nullzinspolitik mit der Inflation zu tun hat

Bereits ab 2023 sollen diese Schulden innerhalb von 20 Jahren größtenteils getilgt werden. Nun, ein ehrgeiziger Plan angesichts weiterer Transformationen, die beispielsweise für ein nachhaltiges Wirtschaften und zur Bewältigung des Demografiewandels nötig sind. Mit Blick auf die Staatsverschuldung rücken daher Zinserhöhungen in weite Ferne.

Hilfe für den Schuldenabbau könnte allerdings von unerwarteter Seite kommen: der Inflation und somit negativen Realzinsen. Bislang konkurrierten durch die Globalisierung Unternehmen und Arbeiter nicht nur innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen, sondern weltweit miteinander. Das übte Druck auf die Preise aus. Mittlerweile kehrt sich der Trend durch zunehmende Handelsbeschränkungen jedoch um. Vermutlich werden die Preise also wieder steigen. Auch der Demografiefaktor könnte die Inflation antreiben. Für die Altersvorsorge wurde nach Ansicht einiger Ökonomen vor allem in den Industrieländern verstärkt gespart. Mit dem Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter dürfte sich das ändern.

Inflation könnte somit dazu beitragen, dass die Staatsverschuldung schneller sinkt – vorausgesetzt, die Zinsen bleiben niedrig. Die EZB hat bereits vor Corona eine Überprüfung der EZB-Strategie ins Gespräch gebracht. Dazu könnte die Moderne Geldpolitik (MMT) passen. Die Würfel sind noch nicht gefallen.

Foto: istockphoto.com

AnlegerPlus