Plädoyer für ein diversifiziertes Aktiendepot

Von Prof. Dr. Rolf Tilmes, CFP®, FPSB Deutschland

Mit den Kurszuwächsen der vergangenen Jahre wächst die Gier nach hohen Renditen. Doch statt einseitig auf vermeintliche Überflieger-Aktien und Hype-Themen zu setzen, sollten sich gerade unerfahrene Anleger lieber ein breit diversifiziertes Aktiendepot aufbauen.

Das Jahr 2024 war bekanntlich ein gutes Börsenjahr. Ein sehr gutes sogar, wenn man sich einzelne Titel ansieht. So war Siemens Energy stärkster Wert im DAX. Das Papier des Siemens-Spin-off kam auf ein Plus von beeindruckenden 317 %. Noch stärker entwickelte sich im vergangenen Jahr die Aktie des Big-Data-Analyse-Spezialisten Palantir aus den USA mit 361 %. Dagegen legte der auf KI-Lösungen spezialisierte Chipproduzent Nvidia „nur“ 177 % zu.

Doch auch bei unbekannteren Aktien von kleineren Firmen konnten Investoren mit einer gezielten Titelselektion richtig Geld machen. Ein Trend, der aus unserer Sicht immer mehr zunimmt, nach dem Motto: Warum auf langweilige und konservative Standardwerte setzen, wenn anderswo die Aussicht auf das schnelle Geld lockt? 

Zusätzlich befeuert wird diese Entwicklung durch neue Player am Markt, die sogenannten Smartphone- oder Neobroker. Mithilfe der Trading-Apps können Transaktionen an der Börse blitzschnell mobil ausgeführt werden, ohne große Kenntnisse. Das führt dazu, dass sich viele unerfahrene Neubörsianer zum Zocken verleitet fühlen. Ein paar Klicks auf dem Smartphone, und schon sind die Aktien vermeintlicher Kursraketen geordert. Doch schicke Apps machen noch lange keinen guten Anleger. Den Investmenterfolg kann eine App mit Sicherheit nicht garantieren, sie vereinfacht lediglich den Handel. 

Kursraketen sind selten zu finden

So begrüßenswert das zunehmende Interesse der Bundesbürger an Aktien auch ist: Die Gefahr, dass unerfahrene Anleger auf die Nase fallen, ist groß. Denn die sogenannten Kursraketen sind äußerst selten zu finden, und noch schwieriger ist es, sie über einen langen Zeitraum zu halten, um wirklich spektakuläre Renditen zu erzielen. 

Dass immer mehr Bundesbürger (zu) riskant investieren, zeigt auch eine aktuelle Auswertung der Plattform Getquin, über die das Handelsblatt jüngst berichtete. Die Daten von rund 330.000 deutschen Nutzern zeigen: Viele Anleger gehen deutlich höhere Risiken ein als nötig. So machen demnach Einzelaktien in einem durchschnittlichen Depot rund 55 % des Portfolios aus. Und je kleiner das Depot, desto risikoreicher wird die Strategie. Den Daten zufolge liegt bei Depots unter 3.000 Euro der Anteil an Einzelaktien sogar bei 75,2 %.

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Um schnell reich zu werden, eignet sich der Aktienmarkt sowieso nicht, für den langfristigen Vermögensaufbau hingegen schon. Und genau darauf sollte der durchschnittliche Privatanleger seinen Schwerpunkt legen. Wer breit gestreut in den Aktienmarkt investiert, partizipiert so langfristig an der Wertschöpfung der Unternehmen und dem Wirtschaftswachstum. Wichtig ist für die Neuanleger dabei, auch zu verstehen, dass es sich hier nicht um Spekulation, sondern um langfristiges Investieren handelt. Das bedeutet, dass Aktienanlagen langfristig im Rahmen einer durchdachten Finanzplanung durchgeführt werden und zur individuellen Risikoneigung und zur Gesamtvermögensallokation des Anlegers passen müssen.

Wenn hohe Renditeversprechungen locken

Stattdessen begehen viele Anleger immer wieder die gleichen Fehler: Sie überschätzen sich, weil sie glauben, es besser zu wissen als der Markt. Dann agieren sie oft prozyklisch. Das heißt, sie steigen in den Markt ein, wenn er schon gut gelaufen ist, und dann aus, wenn er fast den Boden erreicht hat. Und nicht zuletzt – und auch das zeigt die aktuelle Entwicklung – folgen gerade unerfahrene Anleger hohen Renditeversprechungen. Doch dies führt immer wieder zu Enttäuschungen. 

Klar ist, dass beim Vermögensaufbau auch plötzliche große Rücksetzer auszuhalten sind. Allerdings ist die Verlusttoleranz unterschiedlich groß. Die Anleger unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft und der Renditeerwartungen zum Teil beträchtlich. Für die einen sind zwischenzeitliche Verluste von beispielsweise bis zu 20 % hinnehmbar, für andere gänzlich ausgeschlossen. Diesen unterschiedlichen Wünschen und Einstellungen muss eine qualifizierte Anlageberatung Rechnung tragen. 

Aktien auch für konservative Anleger geeignet

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Aktien und vor allem breit gestreute Aktienfonds oder ETFs eignen sich ausdrücklich auch für konservative Anleger. Voraussetzung ist dabei ein langer Anlagehorizont und eine breite Streuung über mehrere Anlageregionen und -sektoren. Nur wie hoch die individuelle Aktienquote aussehen sollte, hängt von den Sparzielen, der Anlagedauer, der jeweiligen Lebenssituation sowie der individuellen Risikobereitschaft ab.

Doch es reicht nicht, einfach mal Aktien zu kaufen, weil es gerade en vogue ist. Das Thema Aktienanlage muss vielmehr eingebettet sein in eine ganzheitliche und qualifizierte Finanzplanung. Nur sie hilft Anlegern dabei, das passende Konzept – individuell abgestimmt auf den Anlagehorizont und vor allem auch auf die jeweilige Risikoneigung – zu finden. 

Behutsam an die Anlageklasse heranführen

Es ist aus unserer Sicht deshalb sinnvoll, dass insbesondere Neuanleger von gut ausgebildeten, unabhängigen Experten über Aktien umfänglich informiert und behutsam an diese Anlageklasse herangeführt werden. Letzteres können beispielsweise professionelle Finanzplaner wie die vom FPSB zertifizierten CFP®-Professionals leisten. Sie verfügen über die anerkannt beste Ausbildung als Finanzberater hierzulande und können aufgrund ihrer Erfahrung und der Tools, die ihnen zur Verfügung stehen, Anleger bei der Geldanlage optimal und kundengerecht beraten. Auf diese Weise stellen Anleger sicher, dass eine Aktienstrategie auch wirklich zu ihnen passt und sie damit langfristig erfolgreich investieren – unabhängig von kurzfristigen Schwankungen.

Zum Autor

Prof. Dr. Rolf Tilmes ist Vorstandsvorsitzender des Financial Planning Standard Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland) und Academic Director Finance, Wealth Management & Sustainability Management an der EBS Executive School, Oestrich-Winkel.

Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

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