Es klingt lukrativ: ein Portfolio auf seine Anfangsgewichtung zurücksetzen und dabei eine „Rebalancing-Prämie“ einstreichen. Doch diese Strategie ist nur dann vorteilhaft, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Ausgewogene, diversifizierte Portfolios haben sich bewährt. Im einfachsten Fall kann es ein Mix von Aktien und Anleihen sein, gewichtet etwa im Verhältnis 60 zu 40 %. Langfristig ließen sich historisch betrachtet damit attraktive, risikobereinigte Renditen erzielen.
Doch in der Praxis stellt sich eine Frage: Sollten die Depotpositionen regelmäßig rebalanciert, also auf ihre Ausgangsgewichtungen zurückgesetzt werden? Andernfalls können sich die Gewichte im Lauf der Zeit stark verschieben, wodurch das Portfolio zunehmend von der ursprünglich angestrebten Allokation abweicht.
Ein Beispiel zeigt die Publikation „Rebalancing Alpha“ anhand des 60/40-Portfolios aus Aktien (S&P 500) und Anleihen (Barclays Aggregate Bond). Von September 1994 bis August 2020 erzielte dieses Portfolio ohne Anpassungen eine jährliche Durchschnittsrendite von 8,14 %. Wurde das Portfolio dagegen zweimal im Jahr auf seine Startallokation zurückgesetzt, ergaben sich 8,43 % pro Jahr (siehe Grafik). Die scheinbar nur geringe Differenz entsprach über den Zeitraum von 26 Jahren einem Mehrertrag von 55 % bezogen auf das initiale Investment.
Rebalancing vs. Portfoliodrift
Die Rebalancing-Prämie lässt sich so erklären: Gestiegene Märkte wurden teuer verkauft, gefallene Märkte billig gekauft und Anleger konnten sich im Lauf der Zeit durch das Hin und Her der Kurse ein kleines Extra sichern.
Die Grafik beschreibt außerdem die Volatilität der Portfolios. Und diese war bei der rebalancierten Version etwas niedriger. Das dürfte ein Ergebnis der besseren Diversifikation infolge des Zurücksetzens sein, wodurch die Risiken gedämpft wurden. Ohne Rebalancing machten Aktien dagegen im Beispiel nach 26 Jahren 73,6 % und Anleihen nur noch 26,4 % des Portfolios aus.
Je länger der Zeithorizont, desto stärker diese Verschiebung. Die 2021er-Ausgabe von „Stocks, Bonds, Bills, and Inflation“ zeigt ein extremes Beispiel. Demnach stieg die Aktienquote eines 50/50-Portfolios aus dem Jahr 1926 ohne Anpassungen bis zum Jahr 2020 auf 98,3 %.
Nimmt man weitere Märkte hinzu, fällt die Rebalancing-Prämie in der Regel höher aus. Bei Rückrechnungen werden gern Emerging Markets, Gold und Bitcoin verwendet. Dabei scheint es so, dass deren hohe Volatilitäten geradezu vorteilhaft sind für den Rebalancing-Vergleich. Denn dadurch gibt es größere Diskrepanzen, die sich im Zeitablauf durch billiges Kaufen und teures Verkaufen nutzen lassen. Die eingangs genannte Publikation beschreibt, wie Bitcoin mit einer Volatilität von damals 85 % selbst ohne Kurssteigerungen eine Rebalancing-Prämie von 13 % im Portfolio erzielte.
Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Deshalb wird der Effekt im Negativen auch als „Volatility Pumping“ bezeichnet. Denn abgesehen davon, dass man die Schwankungen aushalten können muss, hat die Sache einen Haken: Nicht immer ist Rebalancing besser als Buy and Hold.
Mean Reversion vs. Momentum
Die Rebalancing-Prämie kann nämlich auch negativ sein. Das Zünglein an der Waage ist der Charakter der einbezogenen Märkte. Aus dem Paper „Portfolio Rebalancing: A Stable Source of Alpha?“ geht hervor, dass Rebalancing nur dann besser ist als Buy and Hold, wenn die relativen Preisentwicklungen dazu neigen, sich umzukehren (Mean Reversion). Unter dieser Voraussetzung geht die Rechnung auf: Werte, die sich schlecht entwickelt haben, werden bei der Neugewichtung gekauft und laufen danach besser (und umgekehrt).
Das ist aber nicht immer der Fall. Bewegen sich die Märkte prozyklisch in langen, starken Trends, begünstigt dieses Momentum den Buy-and-Hold-Ansatz. Ebenso ist es, wenn die unterschiedlichen Renditen systematischer Natur sind. Dann führt das Rebalancing zu einer Underperformance, indem fortlaufend die besser (schlechter) rentierende Anlage verkauft (gekauft) wird. Das kann bewusst geschehen, um die gewünschte Allokation zu wahren, ist aber mit niedrigeren Renditen verbunden.
Rebalancing ist ein aktiver Eingriff ins Portfolio, das sich sonst mit dem natürlichen Drift der Märkte verschieben würde. Bei Buy and Hold legt das bessere Investment in diesem Szenario dagegen immer weiter an Gewicht zu und rentiert entsprechend besser. Der Nachteil ist hier wiederum die größere Streuung der langfristigen Ergebnisse in den unterschiedlichen Szenarien.
Fazit
Die wichtigste Voraussetzung für das Erzielen positiver Rebalancing-Prämien ist der Mean-Reversion-Charakter der einbezogenen Märkte. Ist das gegeben, kann der Effekt durch Auswahl volatiler, unkorrelierter Depotwerte verstärkt werden. Allerdings sind auch die Transaktionskosten zu berücksichtigen, die bei den Portfolioanpassungen jeweils anfallen.
Zum Autor
Auf Marko Momentum bringt Dr. Marko Gränitz wissenschaftliche Studien zum Kapitalmarkt in zwei bis drei Sätzen auf den Punkt. Zudem werden ausgewählte Anlagethemen kurz und verständlich zusammengefasst.
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