Alpha, Überrendite, Outperformance. Immer wieder liest man diese und andere Begriffe im Zusammenhang mit attraktiven Investments. Doch wie so oft lohnt sich eine genauere Betrachtung.
Als Anleger hat man in aller Regel das Ziel, mit seinem Investment möglichst hohe Renditen zu erzielen. Allerdings kann man an den Märkten nicht davon ausgehen, dass „mehr“ automatisch „besser“ bedeutet. Ganz so einfach ist es eben nicht.
Nehmen wir an, ein Investmentfonds, der das Geld der Anleger in deutsche Aktien investiert, schafft auf Jahressicht eine Rendite von 15 %, während der DAX nur 12 % zulegt. Ganz offensichtlich sind 15 % mehr als 12 %. Der Fonds käme also gegenüber dem Index auf eine Outperformance von 3 Prozentpunkten. Doch es steckt noch mehr dahinter.
Die Sharpe Ratio
Denn allein die prozentuale Entwicklung sagt noch nicht darüber aus, mit welchem Risiko diese Outperformance erkauft wurde. Es ist also eine genauere Betrachtung notwendig. Die sogenannte Sharpe Ratio ist ein solches Risikomaß, das die Überrendite pro Risikoeinheit misst.
Zu deren Berechnung wird zunächst der risikofreie Zins von der Performance abgezogen. Den risikofreien Zins nehmen wir hier mit 3 % an. Der verbleibende Wert (also 15 − 3 = 12) wird dann durch die Standardabweichung der Renditen geteilt, die für den Fonds im Beispiel 24 % betragen hat (also 12/24). Daraus errechnet sich eine Sharpe Ratio von 0,5. Wenn nun die Standardabweichung des DAX nur bei 15 % gelegen hat, ist dessen Sharpe Ratio mit 0,6 ( = [12 – 3] / 15) deutlich besser. Im Vergleich zum Fonds hätte der Index pro Risikoeinheit nämlich eine höhere Überrendite gebracht. Im risikoadjustierten Vergleich schnitt der Fonds also schlechter ab.
Neben der Sharpe Ratio bzw. der Standardabweichung gibt es noch eine Reihe weitere Maße, über die sich Renditen risikoadjustiert betrachten lassen. Diese beruhen auf Größen wie der Downside-Volatilität, der Höhe tatsächlicher Rückgänge (Drawdowns) oder dem klassischen Beta.
Was ist Alpha?
Stichwort Beta. Dieser Faktor beschreibt die Sensitivität einer Anlage gegenüber den Schwankungen des Gesamtmarktes. Aus den oben genannten Standardabweichungen unseres Beispiels können wir bereits eine Indikation dafür ableiten. Das tatsächliche Beta kann jedoch aufgrund der Titelauswahl des Fonds und der damit verbundenen Kovarianzen durchaus variieren.
Angenommen, das Beta des Fonds liegt bei 1,2. D. h., mit einem Anstieg des Gesamtmarktes steigt auch der Fonds (positives Beta) und die Kursschwankungen des Fonds sind größer als die der Benchmark (Beta > 1). Mit diesem Wert und dem angenommenen risikolosen Zins von 3 % lässt sich das Alpha berechnen. In unserem Beispiel liegt es bei 1,2 % (= 15 – 3 – 1,2 x [12 – 3]).
In dieser Betrachtung erzielte der Fonds also – im Gegensatz zur Sharpe Ratio – eine risikoadjustierte Überrendite zum DAX. Denn das Alpha ermittelt, in welchem Ausmaß sich der Fonds besser entwickelt als die Benchmark, in diesem Fall der DAX. Doch der größere Teil der Outperformance wird auch hier durch das eingegangene Risiko erklärt.
Dieses Ergebnis zeigt, dass es für einen Großteil der Anlageergebnisse in der Praxis vor allem auf die Marktentwicklung und das eingegangene Risiko ankommt. Das erzielte Alpha spielt für die meisten Anleger dagegen kaum eine Rolle. Das ändert aber nichts daran, dass der Begriff an den Märkten nach wie vor mit einem Mythos in Verbindung gebracht wird, der den großen Reichtum ermöglicht. Auch deshalb jagen viele Anleger dem ominösen Faktor nach. Doch in Wahrheit kann uns das Alpha auch gewaltig in die Irre führen.
Alpha ist irreführend
Um das zu verdeutlichen, führen wir einen zweiten Fonds ein. Wir betrachten also nun zwei Fonds und den DAX mit folgenden Annahmen:
- – Fonds A: 15 % Rendite, 24 % Standardabweichung, Beta 1,2
- – Fonds B: 16 % Rendite, 27 % Standardabweichung, Beta 1,35
- – DAX: 12 % Rendite, 15 % Standardabweichung, Beta 1
Auf den ersten Blick scheint Fonds B aufgrund der höchsten Rendite die beste Wahl zu sein. Hinzu kommt ein positives Alpha von 0,85 % (= 16 – 3 – 1,35 x [12 – 3]). Doch die Sharpe Ratio von Fonds B liegt nur bei 0,48 (= [16 – 3]) / 27). Sie ist also niedriger als bei Fonds A und dem DAX. Da die Sharpe Ratio für die meisten Anleger das vielleicht beste Maß der risikoadjustierten Überrendite darstellt, würde die Wahl in diesem Fall wohl auf das Indexinvestment fallen.
Natürlich kann eine entsprechende Einschätzung in der Praxis weitaus komplizierter sein als in diesem konstruierten Beispiel. Außerdem ist eine klare Analyse nur für Vergangenheitsdaten durchführbar. In der Zukunft können aber andere Manager im Alpha-Rennen die Nase vorn haben. Abseits der Indexlösung spielen deshalb auch qualitative Faktoren der Fondsmanager eine Rolle, die sich kaum in feste Kennzahlen packen lassen.
Fazit
Alpha beschreibt den Teil der (Out-)Performance, der sich nicht durch den Markt oder andere Faktoren erklären lässt. Es wird deshalb oft als Maß für die Fähigkeiten aktiver Fondsmanager verwendet. Doch nur, weil das Alpha einen positiven Wert hat, muss das jeweilige Investment noch nicht die beste Wahl für Anleger sein.
Noch komplizierter wird es, wenn neben dem klassischen Beta weitere Faktoren wie Size, Value oder Qualität miteinbezogen werden. Letztlich ergeben sich all diese Faktoren aus linearen Regressionen, die mal mehr und mal weniger aussagekräftig sind. Zudem können die Ergebnisse der Modelle variieren, je nachdem, welche Daten und welchen Zeitraum man betrachtet.
Ein interessantes Beispiel beschreibt Nicholas Rabener in einem Beitrag für das CFA Institut. Demnach übertraf der Invesco S&P 500 Pure Value ETF in den zwölf Monaten bis August 2022 den S&P 500 performancetechnisch klar um 10,8 %. Allerdings konnten dabei mehr als 15 Prozentpunkte der Rendite mit einer Handvoll bekannter Faktoren erklärt werden. Das verbleibende Alpha betrug demnach minus 5,7 %. Umgekehrt verhält es sich beim aktiven ARK Innovation ETF von Cathie Wood. Trotz eines Kursverlusts von 61,8 % im genannten Zeitraum betrug das Alpha aufgrund der starken Faktor-Einflüsse hier 8,9 %. An dieser Stelle schließt Rabener seinen Artikel mit der treffenden Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, Alpha zu messen.
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Dieser Artikel ist zuerst auf dem Blog marko-momentum.de erschienen.
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