StaRUG: gut gedacht, schlecht gemacht

StaRUG Gesetz

Das Anfang 2021 in Kraft getretene Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) sollte ursprünglich neue Wege zur Sanierung von Unternehmen schaffen. Doch was als noble Idee begann, stellt sich für viele Anleger als nachteilig heraus – mit erheblichen Folgen für ihre Investitionen.

Am 17. Dezember 2020 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Schon bevor das StaRUG im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, hatte es auf bemerkenswerte Weise von sich reden gemacht: Erst im September 2020 wurde der Referentenentwurf des StaRUG vorgestellt, rund vier Wochen später folgte dann schon der Regierungsentwurf, am 17. Dezember 2020 beschloss der Bundestag das Gesetz und am 29. Dezember 2020 wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Ein echtes Eilgesetz, und das aus zunächst verständlichen Gründen.

Die Zielsetzung

Mit dem StaRUG, einem Kind der Coronazeit, verfolgte der Gesetzgeber mehrere Ziele. Einerseits wollte man Unternehmen in wirtschaftlicher Notlage durch erleichterte Entschuldungsmöglichkeiten sozusagen kurzfristig entgegenkommen. Denn die Regelung zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen war bereits zum 31. Dezember 2020 teilweise ausgelaufen. Andererseits galt es, mit dem Gesetz eine europäische Richtlinie umzusetzen und insbesondere den „Restrukturierungsstandort“ Deutschland auch längerfristig attraktiv zu gestalten. 

Die Attraktivität des Restrukturierungsstandorts Deutschland sollte mit dem StaRUG vor allem dadurch verbessert werden, dass Unternehmen frühzeitig(er) Maßnahmen zur Sanierung ergreifen können, um so beispielsweise Arbeitsplätze zu sichern. Flexibilität und insbesondere Schnelligkeit sollten befördert werden, um auf individuelle Unternehmenssituationen eingehen zu können. Außerdem war ein Ziel, diskreter sanieren zu können, um das Risiko eines Reputationsverlustes für kriselnde Unternehmen zu vermeiden.

Vor der Verabschiedung des StaRUG bot das deutsche Recht hierfür lediglich zwei Möglichkeiten: entweder eine außergerichtliche Restrukturierung mit der Zustimmung aller betroffenen Gläubiger und Gesellschafter oder eine Restrukturierung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens mittels eines Insolvenzplans. Damit war in Fällen, in denen die geplante Sanierungslösung nicht von allen relevanten Gläubigern oder Gesellschaftern unterstützt wurde, eine Überstimmung dieser Gläubiger oder Gesellschafter nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich. Opponierende Stakeholder konnten ein Unternehmen also in ein Insolvenzverfahren zwingen. Daher griff zunehmend die Unart des Insolvenztourismus um sich: Deutsche Unternehmen verlegten immer wieder ihr Center of Main Interest (COMI) nach England, um dann dort ein sogenanntes Scheme of Arrangement nach englischem Recht zu durchlaufen. Vor diesem Hintergrund regelte der deutsche Gesetzgeber, in zugegebenermaßen kurzer Zeit, also das StaRUG.

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    Der Restrukturierungsplan

    Herzstück des Gesetzes ist der Restrukturierungsplan. In diesem Plan werden die Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens festgelegt und anschließend von den Gläubigern beschlossen. Eine qualifizierte Mehrheit reicht aus, um den Plan zu beschließen, selbst wenn einzelne Gläubiger nicht zustimmen. In der Regel muss der Restrukturierungsplan von einem Gericht bestätigt werden, um Rechtskraft zu erlangen. Anfechtbar ist der Restrukturierungsplan dann nicht mehr, er tritt in Kraft.

    So einleuchtend die Regelungen rund um den Restrukturierungsplan auf den ersten Blick sein mögen, für Anleger ist dessen Bedeutung kaum zu unterschätzen. Grund hierfür ist, dass mit dem StaRUG eine qualifizierte Gläubigermehrheit (75 %) ausreicht, um Mehrheitsbeschlüsse über Restrukturierungsmaßnahmen zu fassen. Anleger können auf diese Weise überstimmt werden, mithin „leer ausgehen“ und dies unter voller Billigung, ja, Zustimmung des Gesetzgebers. 

    Wechsel der Rechtsgrundsätze

    In den Augen vieler stellt das StaRUG daher einen massiven Paradigmenwechsel zulasten von Anlegern dar. Denn: Tragender Gedanke des Schuldrechts war und ist, dass Verträge einzuhalten sind. Zahlungsunfähige Schuldner mögen nun zwar gerne ihre Gläubiger um Zahlungsaufschübe oder Schuldenerlasse bitten, wo dies aber nicht fruchtet, ist ein Insolvenzantrag zu stellen. Denn außerhalb einer Insolvenz hat der Gläubiger jedes Recht, auf seinen Zahlungsanspruch zu bestehen. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz schützt den Anspruch des einzelnen Gläubigers. 

    Im Insolvenzverfahren kommt dann ein anderer Rechtsgrundsatz zum Tragen, nämlich der der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum), welcher die gleichmäßige Behandlung aller Gläubiger eines Schuldners zur Folge hat.  

    Und mit dem StaRUG tritt nun wiederum ein davon abweichendes Verfahren in Kraft. Dieses sieht vor, dass außerhalb der Insolvenz die Gläubiger mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der Stimmrechte in den zu bildenden Gruppen einen Restrukturierungsplan beschließen können. Damit einhergehend können einzelne Gruppen überstimmt werden. Die nicht zustimmende Minderheit ist an die Ergebnisse und Wirkungen des gerichtlich bestätigten Plans gebunden, auch außerhalb einer Insolvenz.

    Fazit

    Im Ergebnis kann man festhalten, dass mit dem StaRUG das bisher gültige Konsensprinzip beerdigt wurde. Für Sanierungen bzw. Restrukturierungen erforderlich ist seit dessen Einführung nur noch eine qualifizierte Mehrheit der Schuldner. Die Lasten tragen regelmäßig die Anleger.

    In der Praxis zeigt sich, dass das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz wohl nicht der erhoffte Heilsbringer ist. In den ersten beiden Jahren war die Zahl durchgeführter StaRUG-Verfahren an den 24 Restrukturierungsgerichten in Deutschland mit 22 Verfahren im Jahr 2021 und 27 Verfahren im Jahr 2022 eher gering. Ein Schritt hin zu mehr Transparenz im Kapitalmarkt und zum Schutz von Anlegern ist das StaRUG mitnichten. 

    Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

    Foto: © Felix Wolf

    AnlegerPlus