Von Prof. Dr. Rolf Tilmes, CFP, FPSB Deutschland
Wachstumsstark, zukunftsorientiert und eine coole Story – mit diesen Attributen werben Anbieter von Themen-ETFs immer wieder um die Gunst der Anleger. Doch es lohnt sich, genau hinzusehen.
Laut dem Datenanbieter Statista soll das weltweite Marktvolumen für künstliche Intelligenz im Jahr 2023 bei rund 208 Mrd. US-Dollar gelegen haben. Und es soll bis zum Jahr 2030 – so die Prognose – bis auf über 1.800 Mrd. US-Dollar wachsen. Für die Unternehmen, die in diesem sich so dynamisch entwickelnden Markt tätig sind, kann das rasant steigende Umsätze und Gewinne bedeuten. Und letztlich steigende Börsenkurse. Direkt mit einem Exchange Traded Fund (ETF) auf die führenden Unternehmen in diesem Bereich zu setzen, kann deshalb seinen Reiz haben. Genau das ist die grundlegende Idee von Themen-ETFs. Das heißt, ihnen liegt der Gedanke zugrunde, auf die führenden Unternehmen aus einem stark wachsenden Themenfeld zu setzen – und so den breiten Markt zu schlagen.
Heute gibt es kaum ein Thema und kaum einen Trend, in den man nicht mit einem entsprechenden Produkt investieren kann. So gibt es Themen-ETFs auf die Elektromobilität, auf erneuerbare Energien, auf die Automatisierung, den Bereich Wasserstoff, die Rüstungsindustrie und sogar auf die Haustierpflege. Doch macht es für Privatanleger wirklich Sinn, thematisch zu investieren? Grundsätzlich erfreuen sich ETFs steigender Beliebtheit. Laut dem unabhängigen Analysehaus ETFGI erhielten diese Anlageprodukte in den ersten zehn Monaten 2024 weltweit Nettozuflüsse in Höhe von 1,45 Billionen US-Dollar. Das ist bereits mehr als im bisherigen Rekordjahr 2021, als es etwas über 1,2 Billionen US-Dollar waren. Damit verwaltete die Branche Ende September 2024 nach ETFGI-Angaben 14,41 Billionen US-Dollar – so viel wie noch nie.
ETFs: Günstig, transparent und flexibel
Die Gründe für diesen anhaltenden Siegeszug sind weithin bekannt. Dazu zählt, dass ETFs gegenüber ihren aktiv gemanagten Pendants einen Kostenvorteil aufweisen und dass sie eine hohe Transparenz, eine gute Handelbarkeit und ein hohes Maß an Flexibilität bieten. Es kann also kaum verwundern, dass nicht nur professionelle Investoren wie Manager von Pensionseinrichtungen, sondern auch private Anleger passive Anlagen zunehmend als etablierten und vollwertigen Teil ihres Portfolios erachten. Ein weiterer Grund für die zunehmende Beliebtheit der passiven Produkte liegt darin, dass sie die Möglichkeit bieten, auf breit gestreute Aktienindizes wie den MSCI World oder den FTSE Global zu setzen. So lässt sich auf sehr einfache Art und Weise breit diversifiziert in den Aktienmarkt investieren.
Etwas, was auf Themen-ETFs, die naturgemäß eher einseitig auf ein bestimmtes Thema oder eine Branche fokussiert sind, gerade nicht zutrifft. Und das birgt Risiken. So ist die Anzahl der investierbaren Firmen von erheblicher Bedeutung bei der Geldanlage. Denn je kleiner das Anlageuniversum eines Trends, desto höher kann die Gewichtung einzelner Aktien sein und desto stärker fallen dann oft die Kursschwankungen aus. Zudem gilt es zu bedenken, dass solche Produkte meist erst dann lanciert werden, wenn ein Großteil des Wachstumspotenzials eines solchen Themas schon gelaufen ist.
Struktureller Wandel oder kurzfristiger Modetrend?
Ferner gibt es keine Garantie dafür, dass der jeweilige Treiber für dauerhaftes Wachstum in diesem Bereich bestehen bleibt. Regulatorische Hürden oder die Einstellung von fiskalischer Unterstützung für den betreffenden Bereich können für Ernüchterung sorgen. Ob zum Beispiel die derzeit hohen staatlichen Investitionen im Rüstungsbereich dauerhaft anhalten, ist durchaus fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich mit dem jeweiligen Investitionsthema genau auseinandersetzen muss. Während manchen Themen-ETFs ein echter struktureller Wandel zugrunde liegt, handelt sich bei anderen um kurzfristige Modetrends, die so schnell aufhören, wie sie begonnen haben.
Auch besteht die Gefahr, dass ein Themen-ETF nicht stark nachgefragt wird und der entsprechende Fonds, wenn das Volumen sehr gering ist, rasch wieder vom Markt genommen wird. Etwas, was in der Vergangenheit gar nicht so selten vorkam und auch künftig nicht auszuschließen ist, weil die Euphorie um diese Produkte zuletzt deutlich nachließ. Bereits im Jahr 2023 kam es zu Kapitalabflüssen aus themenbezogenen ETFs und auch 2024 setzte sich diese Entwicklung fort. Außerdem weisen Studien immer wieder nach, dass monothematische Themen-Investments mehrheitlich dem breiten Markt, in der Regel gemessen am MSCI World Index, hinterherhinken.
Komplexer Vergleich von Themen-ETFs
Doch auch wenn man sich für ein Thema entschieden hat und von dessen langfristigem Potenzial überzeugt ist, ist die Wahl eines ETFs herausfordernd. Schließlich bilden die allermeisten thematischen Produkte einen exklusiv für dieses Produkt kreierten Index ab. Die Unterschiede zwischen einzelnen ETFs bei demselben Thema können sehr groß sein, weil zum Beispiel die Auswahlkriterien hinsichtlich Marktkapitalisierung, Regionen oder die für das Thema relevanten Umsatzanteile der Unternehmen stark voneinander abweichen. Somit lassen sich Themen-ETFs – trotz nahezu identischer Namen – oftmals kaum miteinander vergleichen.
Das alles bedeutet: So spannend und überzeugend viele der Themen und Trends zunächst klingen, sie eignen sich nicht als Grundlage für den langfristigen Vermögensaufbau, da sie in der Regel nur einen kleinen Wirtschaftsbereich abbilden. Vielmehr sollte die Basis für ein langfristig ausgerichtetes Aktienportfolio stets ein breit gestreutes Investment in den Aktienmarkt sein. Jedoch spricht nichts dagegen, um einen solchen Kern herum Satelliten-Investments als kleine Beimischung einzugehen.
Und dabei können auch Themen-ETFs eine Rolle spielen. Denn sie bieten eine zusätzliche Möglichkeit, ein Portfolio auf die individuellen Anlageziele des Anlegers und dessen individuelle Risikoneigung auszurichten, indem bestimmte wachstumsstarke Bereiche stärker betont werden. Wichtig ist dabei, diese wirklich nur als kleine Beimischung zu betrachten, sich mit dem zugrundeliegenden Thema kritisch auseinanderzusetzen und bei der Wahl des ETFs selbst sehr umsichtig vorzugehen.
Zum Autor
Prof. Dr. Rolf Tilmes, CFP, ist Vorstandsvorsitzender des FPSB Deutschland und Academic Director Finance, Wealth Management & Sustainability Management an der EBS Executive School in Oestrich-Winkel.
Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlus, AnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
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