Der Bundesgerichtshof (BHG) hat entschieden, dass auch ein Beratungsvertrag zwischen einem die Aktiengesellschaft beratenden Unternehmen und einem Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats dieser Aktiengesellschaft ist, Einschränkungen des Aktienrechts zu beachten hat (Urteil vom 22.06.2021, Az. II ZR 225/20).
Nach § 114 AktG bedürfen qualifizierte Dienst- und Werkverträge, die ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat mit der Aktiengesellschaft abschließt und mit denen er sich zu einer Tätigkeit höherer Art verpflichtet, der Zustimmung des Aufsichtsrats. Das gilt auch für objektive Umgehungen, bei denen vom Aufsichtsratsmitglied dominierte Gesellschaften „zwischengeschaltet“ werden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Vermögensverwalterin einer Aktiengesellschaft und betreut diese bei Kapitalmaßnahmen. Die Beklagte zu 1 ist eine bei Kapitalmarkttransaktionen beratende GmbH. Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter dieser GmbH und Mitglied des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft.
Die Klägerin schloss mit der Beklagten zu 1 „eine als Beratungs-/Vermittlungsvertrag über die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen überschriebene Vereinbarung“. Die Beklagte zu 1 vermittelte mehrere entsprechende Beratungstermine und erhielt hierfür das vereinbarte Honorar. Zwei Jahre später verlangte die Klägerin die Vergütung jedoch zurück.
BGH zieht Analogie
„In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied ihres Aufsichtsrats ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG fällt. […] Es macht keinen entscheidenden Unterschied, ob das Aufsichtsratsmitglied den Vertrag im eigenen Namen oder im Namen einer von ihm als alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer geführten GmbH abschließt, über die er mittelbar die ausbedungene Vergütung erhält. Dies stellt sich objektiv als eine Umgehung der §§ 113, 114 AktG mit dem Ziel dar, deren Rechtsfolgen zu vermeiden. […]
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Regelungszweck der §§ 113, 114 AktG auch dann betroffen, wenn ein dem Aufsichtsrat zuzurechnendes Beratungsunternehmen einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, welches seinerseits die Aktiengesellschaft berät.“
Kontrolle über Organvergütung
„Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, ist der Regelungszweck des § 114 AktG im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen. Danach ist die Entscheidung über die Vergütung für die Amtsführung der Aufsichtsratsmitglieder, soweit dies nicht bereits in der Satzung geregelt ist, allein der Hauptversammlung vorbehalten. Damit sollen im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft einerseits eine ,Selbstbedienung‘ der Aufsichtsratsmitglieder, andererseits aber auch die Kompetenz des Vorstands ausgeschlossen werden, über die Vergütung der Mitglieder seines Überwachungsorgans zu befinden.
§ 114 AktG flankiert diesen Schutzzweck, indem er zwischen Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern ausgehandelte Verträge über Dienstleistungen höherer Art, insbesondere Beratungsverträge o. ä. der Zustimmung des Aufsichtsrats und damit einer zwingenden präventiven, die Offenlegung des Vertrags gegenüber dem Aufsichtsrat voraussetzenden Kontrolle daraufhin unterwirft, ob der betreffende Vertrag tatsächlich nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit (vgl. § 114 Abs. 1 AktG) oder aber eine verdeckte Sonderzuwendung zum Gegenstand hat, welche dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied unter Umgehung der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung (§ 113 Abs. 1 AktG) gewährt wird und die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung seiner Kontrolltätigkeit mit sich bringt.
Darüber hinaus ist eine präventive Kontrolle von Beratungsverträgen im Hinblick darauf geboten, dass diese auch außerhalb der Gewährung rechtswidriger Sondervorteile zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern führen können.“
„Im Hinblick auf diesen Schutzzweck macht es keinen Unterschied, ob eine ungerechtfertigte Sonderleistung unmittelbar oder nur mittelbar über ein von der Aktiengesellschaft mit Beratungsleistungen beauftragtes Drittunternehmen an ein dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnendes Beratungsunternehmen und damit wiederum mittelbar an das Aufsichtsratsmitglied fließt, weil aus der Sicht der Gesellschaft die Gefahrenlage dieselbe ist.“
Umgehungsgefahr durch Drittunternehmen
„Auch wenn ein Drittunternehmen auf der Seite der Aktiengesellschaft zwischengeschaltet ist, besteht zum einen die Gefahr, dass der Aufsichtsrat von der Aktiengesellschaft mittelbar eine Vergütung für Tätigkeiten erhält, die bereits von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehörenden Beratungspflicht umfasst werden.
Ebenso besteht die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch die mittelbare Gewährung einer Sondervergütung, wenn der Vorstand die Vergütung ohne Kontrolle durch den Aufsichtsrat nicht unmittelbar an das Aufsichtsratsmitglied, sondern an ein Drittunternehmen zahlt, welches die Vergütung der Sache nach in gleicher oder geringerer Höhe an das Aufsichtsratsmitglied aufgrund einer Vereinbarung mit diesem oder einem ihm zuzurechnenden Unternehmen lediglich weiterleitet. […]
Ob es sich bei der vertraglichen Konstruktion nach dem von der Revision dargestellten Vortrag der Klägerin um eine bewusste Umgehung handelt, ist unerheblich. Der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG erfordert keinen Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten, sondern will allein den dargestellten objektiven Gefahren entgegenwirken und eine objektive Umgehung der Normen verhindern.“
Organpflichten geben Beratungsvertrag vor
„Gemäß § 113 AktG hat über die Aufsichtsratsvergütung allein die Hauptversammlung zu entscheiden. Beratungsverträge einer Aktiengesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied oder mit einer ihm zuzurechnenden Gesellschaft über Tätigkeiten, die das Aufsichtsratsmitglied schon aufgrund seiner Organstellung im Rahmen der auch die vorsorgende Beratung einschließenden Überwachung erbringen muss, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht nach § 114 AktG genehmigungsfähig. […]
Zulässig nach § 114 AktG sind nur Verträge über Dienst- oder Werkleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Um Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen, etwa in Form einer überhöhten Vergütung, enthält.“
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