Es gibt gute Gründe, warum sich die einfachen, transparenten und flexiblen Indexfonds im Lauf der Zeit am Kapitalmarkt durchgesetzt haben – aber auch einige Kritikpunkte, die Anleger kennen sollten, um beim ETF-Investment keine Fehler zu machen.
Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) sind heute in aller Munde. Hinter ihnen steckt eine echte Erfolgsgeschichte, deren Dynamik sich seit Corona weiter beschleunigte. Wie das Research-Haus ETFGI mitteilte, waren Ende Juli weltweit rund 9 Billionen US-Dollar in ETFs investiert.
Den kostengünstigen und weitgehend „passiven“ Instrumenten (mehr dazu später) liegt jeweils ein bestimmter Index zugrunde, den sie abbilden. Das kann im einfachsten Fall der DAX sein, aber auch ein globaler Index wie der MSCI All-Country World mit tausenden Einzeltiteln.
Deshalb sind ETFs für Anleger nicht nur leicht verständlich, sondern auch attraktiv: Mit einem Schlag kann zu niedrigsten Kosten global diversifiziert angelegt werden, und zwar zu jeder Handelszeit. Denn während bei klassischen Fonds nur der Nettoinventarwert zum Börsenschluss bestimmt wird, stellen Market Maker bei ETFs fortlaufend aktuelle Kurse.
Inhalt
- Die Geschichte der Indexfonds
- So funktionieren ETFs
- Vorteile von ETFs gegenüber klassischen Fonds
- Was Sie beim investieren in ETFs beachten sollten
- Fazit
Die Geschichte der Indexfonds
Von einem solchen Produkt hätten Anleger vor einigen Jahrzehnten nur träumen können. In den 1970er-Jahren kam das Thema erstmals auf, nachdem akademische Studien auf einen möglichen Vorteil passiver Anlagestrategien hinwiesen.
Der erste öffentliche Indexfonds wurde Ende 1975 von John Bogle gestartet und bildete den S&P 500 ab. Damals musste der heute legendäre Bogle so manche Kritik aushalten. Es wurde behauptet, die passive Methode sei unamerikanisch. Andere hielten die Idee grundsätzlich für absurd, sich von Vornherein mit mittelmäßigen Marktrenditen zufriedenzugeben.
Doch im Lauf der Jahre wurde deutlich, dass Anleger zunehmend Interesse an passiven Investments entwickelten. Und so begann der große Wettlauf, dies der breiten Masse möglichst einfach zugänglich zu machen. Allerdings dauerte es noch bis Januar 1993, als State Street den ersten ETF, den S&P 500 Trust (Kürzel SPY) auflegte. Noch heute ist er der größte und am aktivsten gehandelte ETF weltweit.
So funktionieren ETFs
ETFs haben einen besonderen Mechanismus zum Auf- und Abbau ihrer Anteile, der sie von klassischen Fonds unterscheidet. Nehmen wir an, dass Anleger via ETF in den DAX investieren möchten. Hier sind registrierte Market Maker aktiv, die regelmäßig in den enthaltenen Aktien handeln und sich darauf spezialisiert haben, diese in der Gewichtung des Index an den ETF-Anbieter zu liefern.
Der Anbieter bekommt also den passenden Korb an Aktien, um den DAX exakt abbilden zu können. Im Gegenzug erhält der Market Maker neue ETF-Anteile, die er an die Anleger verkaufen kann, die DAX-ETFs nachfragen.
Allerdings führt nicht jede kleine Nachfrage gleich zur Schaffung neuer ETF-Anteile. Diese werden in großen Paketen mit vielen tausend Stück erschaffen. Die Market Maker sind als professionelle Händler in der Lage, entweder Anteile long oder short aufs eigene Buch zu nehmen (also ins Risiko zu gehen) oder sich über entsprechende Positionen in Futures abzusichern.
Gewinne erzielen sie durch den Spread von An- zu Verkaufskurs und bei immer wieder auftretenden, kleinen Preisdifferenzen von ETF-Anteilen gegenüber dem Wert des Aktienkorbs. Da mehrere Market Maker in Konkurrenz zueinander stehen, kann man davon ausgehen, dass die Abweichungen fast immer sehr klein bleiben. Für Anleger bedeutet das wiederum, dass der Marktpreis der ETFs dem tatsächlichen Gegenwert des Aktienkorbs entspricht.
Der beschriebene Prozess zur Erstellung von neuen ETF-Anteilen (Creation) lässt sich natürlich auch umkehren und wird als Redemption bezeichnet. Das passiert dann, wenn Anleger ihre ETF-Anteile an den Market Maker verkaufen. Dieser gibt sie wieder gesammelt an den ETF-Anbieter zurück und erhält im Gegenzug den entsprechenden Aktienkorb. Wenn der Market Maker die Verkaufswelle als temporär einschätzt, kann er die Anteile aber auch hedgen. Im Falle von Swap-basierten ETFs gibt es noch ein paar Besonderheiten, auf die wir hier aber nicht eingehen wollen.
Vorteile von ETFs gegenüber klassischen Fonds
Wichtig für Anleger ist letztlich nur, dass es in der Praxis egal ist, wie der Market Maker verfährt: Die Preise bleiben nahe am Gegenwert des Aktienkorbs, und zwar unabhängig davon, ob sich die Anzahl verfügbarer Anteile erhöht, verringert oder gleich bleibt.
Bei klassischen Fonds ist das nicht unbedingt der Fall: Fließt ihnen frisches Anlegergeld zu, müssen sie direkt aktiv werden und Positionen zukaufen. Für eventuelle Rückgaben von Anteilen müssen sie dagegen eine gewisse Cashquote vorhalten oder sogar einen (kleinen) Teil ihrer Positionen verkaufen, was zusätzlich Handelskosten verursacht.
Das Rein und Raus von Investoren kann bei klassischen Fonds also die Performance für die langfristig investierten Anleger beeinflussen, die gar nichts damit zu tun haben. Bei ETFs managen dagegen aufs Trading spezialisierte Market Maker die Kapitalflüsse quasi separat und verlangen dafür den Spread, der je nach Liquidität des jeweiligen Marktes variiert, während der Fonds selbst vom Hin und Her und den damit verbundenen Kosten abgeschirmt ist.
Nur Rebalancings und dauerhafte Indexanpassungen müssen hier umgesetzt werden. Diese clevere und für alle Teilnehmer faire Struktur erklärt, weshalb sich ETFs im Lauf der Zeit als stabil erwiesen und etabliert haben.
Was Sie beim investieren in ETFs beachten sollten
Allerdings gibt es bei ETFs ebenfalls einige Tücken, die Anleger kennen sollten. Vor allem in einer Kritik sind sich die meisten Experten einig: Anleger werden dazu verleitet, kurzfristig zu handeln und aktive Positionen einzugehen. Auf den ersten Blick ist das überraschend, da ETFs als passive Instrumente für langfristige Anleger gedacht sind. Doch die Vorteile hoher Transparenz und geringer Kosten führen in der Praxis dazu, dass die Produkte auch falsch eingesetzt werden. Zum Beispiel werden ETFs auf immer kürzeren Zeithorizonten getradet, um aktives Markttiming zu erzielen. Die jüngste Welle des provisionsfreien Tradings über Neobroker befeuerte diesen Trend, da die Gewinnschwelle dadurch so niedrig lag wie nie zuvor.
Interessante Studien über ETF-Investments
Schon im Jahr 2018 zeigte die Studie „Do ETFs Increase Volatility?“, dass ETF-Anleger einen deutlich kürzeren Anlagehorizont haben als klassische Fondsanleger. Deshalb kann es zu dem verblüffenden Ergebnis kommen, dass Letztere nicht nur trotz, sondern gerade wegen der höheren Kosten langfristig investiert bleiben – und so höhere Renditen erzielen als Anleger in den günstigeren ETFs.
In diesem Fall wären die höheren Kosten klassischer Fonds für Anleger also sogar ein Vorteil. Die Studie „Abusing ETFs“ konnte das bestätigen: Schlechte Timing-Entscheidungen und eine ungünstige ETF-Auswahl führten bei den untersuchten deutschen Privatanlegern dazu, dass alle Vorteile der Indexfonds zunichte gemacht wurden.
Was Sie bei der ETF-Auswahl beachten sollten
Das Stichwort „ETF-Auswahl“ weist auf einen weiteren Risikofaktor hin, dem Anleger neben dem kurzfristigen Handel aufsitzen: Sie fokussieren sich gern auf aktuelle Trendthemen, die durch Nischen-ETFs abgedeckt werden.
Dabei handelt es sich keineswegs mehr um passive, marktbreite Investments, sondern um aktive Wetten auf bestimmte Sektoren, die meist einem Hype mit entsprechend hohen Bewertungen unterliegen und auf längere Sicht enttäuschen oder zumindest die regelmäßige Aufmerksamkeit eines erfahrenen Anlegers erfordern. Noch dazu haben diese Produkte oft deutlich höhere Gebühren von mitunter mehr als einem Prozent.
Tatsächlich gibt es weltweit inzwischen tausende ETFs auf alle möglichen Bereiche, von denen wohl die wenigsten im Sinne des Erfinders sein dürften. Anleger können im zunehmenden Dschungel an Möglichkeiten also leicht den Blick fürs Wesentliche verlieren.
Selbst einigen Smart-Beta-ETFs muss man ein schlechtes Zeugnis ausstellen, obwohl einige dieser Konzepte wissenschaftlich gut fundiert sind. Die Studie „Competition for Attention in the ETF Space“ bringt es auf den Punkt. Demnach folgt die Innovation im ETF-Bereich zwei Pfaden: Breit angelegte Produkte einerseits, die sich an kostenbewusste Anleger richten, und teure, spezialisierte Produkte andererseits, die um die Aufmerksamkeit unbedarfter Anleger konkurrieren.
Fazit
Studien haben gezeigt, dass ETFs langfristig im Durchschnitt bessere Renditen erzielen als klassische, aktive Fonds mit höheren Gebühren. Das hat ihnen zu großer Beliebtheit verholfen. Aber sie müssen auch richtig eingesetzt werden.
Die großen, marktbreiten und kostengünstigen Basisinvestments unter den ETFs sind ideal für langfristige Anleger. Zwar ist die Funktionsweise im Detail etwas kompliziert, wenn man die Rolle der Market Maker betrachtet, aber damit brauchen sich Privatanleger nicht genauer zu befassen. Sie können auf eine clevere Struktur vertrauen, die sich bewährt hat.