Kosten für Forschung und Entwicklung in der Bilanz

Forschung Entwicklung Bilanz

In vielen Bilanzen sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung für Privatanleger nicht sofort erkennbar. Dabei steckt in dieser Position viel Potenzial, denn sie liefert Hinweise auf die Innovationskraft eines Unternehmens und auf die Qualität seiner Bilanz.

Viele Unternehmen investieren Jahr für Jahr hohe Summen in Forschung und Entwicklung (F&E). Bilanztechnisch werden diese Ausgaben jedoch nicht einheitlich behandelt. Während einige Firmen sie unmittelbar als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung erfassen, entscheiden sich andere für eine Aktivierung und weisen die Beträge als immateriellen Vermögenswert auf der Aktivseite aus. Die gewählte Methode beeinflusst direkt Gewinn und Eigenkapital und hat damit wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung des Unternehmens.

Forschung oder Entwicklung

Rechnungslegungsvorschriften unterscheiden klar zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten. Forschungsausgaben dienen der Grundlagenarbeit und dürfen nicht aktiviert werden, sie erscheinen daher stets sofort als Aufwand. 

Entwicklungskosten fallen dagegen an, wenn ein Produkt bereits konkrete Formen annimmt. Nach Handelsgesetzbuch (HGB) besteht für diese Kosten ein Aktivierungswahlrecht, während internationale Standards (IFRS) in bestimmten Fällen sogar eine Aktivierungspflicht vorsehen. 

Unternehmen können also durch die Aktivierung von Entwicklungskosten ihr Ergebnis „schonen“. Das heißt, die Belastung zeigt sich nicht sofort im Aufwand, sondern verteilt sich über mehrere Jahre in Form von Abschreibungen.

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Gestaltungsspielraum mit Signalwirkung

Ob ein Unternehmen das Aktivierungswahlrecht nach HGB nutzt, sagt viel über seine Bilanzpolitik aus. Eine Aktivierung lässt den Gewinn höher erscheinen und verbessert die Eigenkapitalquote. Gleichzeitig signalisiert das Management Zuversicht, dass sich die Investitionen in Zukunft auszahlen werden. Eine höhere Aktivierungsquote trägt jedoch auch das Risiko späterer Wertminderungen, wenn Produkte nicht wie erwartet vom Markt angenommen werden.

Verzichtet ein Unternehmen hingegen auf die Aktivierung, fällt der Gewinn kurzfristig niedriger aus. Die Bilanz ist dadurch konservativer für Anleger, aber transparenter, da Risiken nicht in die Zukunft verschoben werden. Anleger sollten deshalb darauf achten, ob ein Unternehmen hohe Aktivierungsquoten ausweist. Steigen diese Quoten über Jahre hinweg an, kann das auf eine aggressive Bilanzpolitik hindeuten.

Ein Praxisbeispiel

Ein Vergleich innerhalb der Automobilindustrie zeigt, wie unterschiedlich Unternehmen mit Entwicklungskosten umgehen. Volkswagen weist regelmäßig Milliardenbeträge an aktivierten Entwicklungskosten aus. Diese summieren sich zu einem erheblichen Posten in der Bilanz und entlasten den Gewinn kurzfristig, erhöhen aber in den Folgejahren die Abschreibungen. Im Geschäftsbericht 2024 (S. 526) lag die Aktivierungsquote bei etwa 49 %, nach 51 % im Vorjahr. BMW kam laut Geschäftsbericht 2024 auf knapp 40 % (S. 10). Bei VW erscheinen die Gewinne damit kurzfristig stabiler, während BMW ein transparenteres Bild vermittelt.

Die Höhe und Entwicklung der aktivierten Kosten hängt nicht nur von der Branche, sondern auch von der Bilanzpolitik des Unternehmens ab. Für Anleger lohnt sich deshalb der Vergleich mehrerer Geschäftsberichte, um ein Gespür für eine eher aggressive oder vorsichtige Bilanzierung zu entwickeln.

Chancen und Risiken

Die Aktivierung von Entwicklungskosten ist ein anerkanntes Instrument der Rechnungslegung. Sie signalisiert, dass ein Unternehmen in die Zukunft investiert und innovative Projekte vorantreibt. Bleiben die erwarteten Erfolge jedoch aus, drohen außerplanmäßige Abschreibungen, die den Gewinn abrupt belasten können. 

Besonders in Branchen mit hohem Innovationsdruck wie Pharma oder Automobil ist dieser Aspekt für die Bewertung und damit die Anlageentscheidung zentral. Privatanleger sollten daher die Bilanzposition „aktivierte Entwicklungskosten“ genau beobachten, da sie sowohl den aktuellen Gewinn als auch die künftige Ertragskraft beeinflusst.

Zur Autorin

Dr. Carola Rinker ist Diplom-Volkswirtin. Sie schult u.a. Aufsichtsräte und Anleger zum Thema Bilanzen. Darüber hinaus erstellt sie Gutachten und Stellungnahmen zu Bilanzierungssachverhalten.

Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

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