Daniel Told
Privatanleger haben durch langfristiges Buy and Hold von guten Aktien die Chance, gemütlich reich zu werden. Aber nicht nur die Haltedauer der Aktien kann zu einer guten Rendite führen. In diesem Artikel richten wir den Blick auf den Einstieg und auf den Nutzen der Geduld beim Aktienkauf.
Inhalt
- Soll man auf Marktkorrekturen warten?
- Warten auf die nächste Einstiegsgelegenheit?
- Das Unternehmen verstehen
- Geduldig sein und Cash halten
- Über den Autor
Wer in Einzelaktien investiert, hat es wahrscheinlich schon erlebt: Man hätte gern ein Stück von diesem einen tollen Unternehmen. Aber man hat den günstigen Einstieg verpasst. Jetzt zieht die Aktie von einem Allzeithoch zum nächsten, während man selbst am Spielfeldrand steht und zusehen muss. Oder man entschließt sich, einfach einzusteigen, um die zukünftigen Kursgewinne nicht zu verpassen. FOMO (engl. fear of missing out), die Angst, etwas zu verpassen, ist hier am Werk.
Und tatsächlich wird oft geraten, einfach einzusteigen, denn „time in the market beats timing the market“. Es sei also besser, länger im Markt zu sein, als auf den richtigen Zeitpunkt zu lauern. Sparpläne auf ETFs, aber auch auf Einzelaktien bieten eine einfache Möglichkeit, diesen Ansatz zu realisieren – teilweise mit minimalem Zeitaufwand.
Wer etwas mehr Kontrolle über seine Investments haben möchte und auch mehr Zeit in die eigenen Investitionsentscheidungen steckt, wird sich die obige Frage über den richtigen Einstiegszeitpunkt vielleicht dennoch schon gestellt haben.
Soll man auf Marktkorrekturen warten?
Die Frage, die sich dann stellt ist: Soll man mit dem Einstieg warten, bis der Markt korrigiert? Betrachten wir einmal beispielhaft den Verlauf des S&P-500-Index, dargestellt in Abb. 1.
Kursverlauf des S&P 500 seit 1980
Deutlich zu erkennen: Der Dotcom-Crash um 2000 und die Finanzkrise um 2007 boten geduldigen Investoren große Chancen: 2009 waren die Kurse wieder so niedrig wie zuvor 1997. Wer zu diesem Zeitpunkt Geld zum Investieren verfügbar hatte, konnte dieselben Gewinne erzielen wie jemand, dessen Geld schon 12 Jahre länger im Markt war. Fast so, als ob man eine Zeitmaschine hätte, um eine verpasste Gelegenheit nachzuholen.
Sollte man also grundsätzlich bis zum nächsten Crash abwarten, bevor man investiert? Das kann durchaus nach hinten losgehen: In langen Bullenmärkten (z. B. 1980–2000, aber auch nach 2009) kann der Markt durchaus über Jahre hinweg so steil ansteigen, dass selbst ein Rücksetzer von 30 % nur eine geringe zeitliche „Ersparnis“ bringt. Hat man das Kapital also extra für diesen Rücksetzer zurückgehalten, macht man eventuell ein schlechteres Geschäft.
Hierfür ebenfalls ein Beispiel: Der Coronacrash von gut 30 % entsprach beim S&P 500 „nur“ einem Rücksetzer auf die Kurse von 2017 (im DAX jedoch auf 2013). Ebenso brachte der Crash von 1987 nur einen Rücksetzer um ein Jahr. Interessanter wird das Ganze jedoch beim Blick auf Einzelaktien.
Warten auf die nächste Einstiegsgelegenheit?
Die Aktien einzelner Unternehmen zeigen ebenfalls solche wiederholten „Drawdowns“ (Wertverluste) – je nach Unternehmen häufiger, manchmal sogar heftiger. Eine vielzitierte Weisheit von Börsenlegende André Kostolany lautet: „Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt mit Sicherheit!“
In Kostolanys Zitat spiegelt sich der Vorteil des Abwartens bei Einzelaktien wider: Man bespielt als Aktienanleger eine Vielzahl von Unternehmen. Diese entwickeln sich unabhängig voneinander, und ihre Aktien korrigieren häufig ungleichzeitig. Behält man also z. B. ein Dutzend Unternehmen im Blick, profitiert man von häufigeren Einstiegsgelegenheiten.
Besonders übersichtlich sieht man solche Rücksetzer in einer speziellen Drawdown-Grafik, die zeigt, wie weit der Aktienkurs unter dem jeweils letzten Allzeithoch liegt. Das Beispiel in Abb. 2 zeigt diese Rechnung für die Apple-Aktie seit dem Jahr 2000. Man erkennt längere Zeiträume, z. B. von 2010 bis 2012, in denen die Aktie kontinuierlich neue Allzeithochs erreicht. Dazwischen gibt es jedoch immer wieder Rücksetzer von 30 % und mehr.
Drawdowns der Apple-Aktie seit 2000
Die Apple-Aktie hat alleine seit 2015 dreimal Korrekturen von 30 % erfahren – Einbrüche, die in allen drei Fällen nach kurzer Zeit wieder wettgemacht wurden. Bei jedem dieser Rücksetzer hätte man dank der anschließenden Rückkehr zu alten Höhen eine höhere Rendite erzielt als jemand, der die Aktie zuvor schon hatte.
Wir wollen hier allerdings nicht zum Trading durch mehrfache Käufe/Verkäufe ermuntern, sondern lediglich aufzeigen, dass es Einstiegszeitpunkte gibt, die vorteilhafter sind als andere.
Nicht alle Unternehmen können mit 30%igen Korrekturen aufwarten. Alphabet (die Google-Konzernmutter) hatte beispielsweise vor dem Corona-Crash acht Jahre lang nur Aktienkurskorrekturen von ca. 10–20 %. Wenig volatile Aktien korrigieren ebenfalls nur selten so stark – die McDonald’s-Aktie musste zwischen 2010 und 2020 „nur“ Rücksetzer von ca. 15 % verzeichnen. Korrekturen gehören zum normalen Marktgeschehen. Wer mehrere Unternehmen im Blick hat, und das aktuelle Geschehen in deren langjährigen Kursverlauf einordnen kann, sollte also zumindest etwa einmal jährlich mit einer Einstiegschance in eines der Unternehmen belohnt werden. Bei einem langem Zeithorizont ist das eine vertretbare Wartezeit.
Das Unternehmen verstehen
Wer schon etwas Erfahrung an der Börse sammeln durfte, weiß: Klingt ein Schema sehr einfach, ist es wahrscheinlich zu einfach. Es kann nicht blind benutzt werden. Das trifft natürlich hier ebenfalls zu. Man muss verstehen, worin man investiert: Meistens gibt es einen Grund, warum die Aktie eines Unternehmens nachgibt. Man sollte also mit einer gewissen Kenntnis über das Unternehmen einordnen können, dass das Unternehmen sich von seinem derzeitigen Problem langfristig wieder erholen wird.
Gleichermaßen spielt die Bewertung des Unternehmens eine Rolle. Hat man es mit einem Wachstumsunternehmen zu tun, dessen Aktie bereits in luftigen Höhen unterwegs ist? Dann ist eine deutliche Korrektur umso wahrscheinlicher – und das Unternehmen womöglich sogar nach der Korrektur noch viel zu teuer.
Geduldig sein und Cash halten
Wie so oft gibt es an der Börse keine Garantien, aber doch die Möglichkeit, die eigenen Chancen zu verbessern. Wer sich eine Watchlist aus stabilen Unternehmen mit geringen Schulden und reichlich Cashflow erstellt und diese regelmäßig im Blick hält, hat bereits einen guten Grundstein gelegt. Eine praktische (und kostenlose) Möglichkeit zum Erstellen einer Watchlist bietet beispielsweise der Anbieter TIKR (Zugang über www.tikr.com/valuedach möglich), über den außerdem detaillierte Unternehmensdaten abgerufen werden können.
Alles, was dann noch fehlt, ist Geduld und die mentale Abgebrühtheit, das eigene Investitionskapital zum Teil in Cash zu halten, während die begehrten Aktien noch weiter steigen. Folgendes Zitat von Charlie Munger verschafft dabei vielleicht etwas Entspannung:
„Someone will always be getting richer faster than you. This is not a tragedy.“
In meinem noch jungen wikifolio kann der geneigte Leser kostenlos nachvollziehen, wie der Einsatz einer solchen Strategie in der Praxis aussehen kann.
Über den Autor
Daniel Told ist Physiker und betreibt in seiner Freizeit den Blog www.nerd-bloggt.de sowie den Instagram-Kanal nerd.investiert. Am liebsten beschäftigt er sich dort mit Value Investing, Optionshandel, und allem, was man sonst zum Thema Börse lernen kann.
Foto: privat