Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal 2024 um 0,2 % gewachsen und der erwarteten Rezession gerade noch entgangen. Trotz dieser minimalen Erholung bleibt die wirtschaftliche Entwicklung schwach und von Unsicherheit geprägt. Experten warnen weiterhin vor strukturellen Problemen, die das Wachstum langfristig hemmen könnten.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im dritten Quartal 2024 gegenüber dem zweiten Quartal 2024 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,2 % gewachsen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, nahmen im dritten Quartal 2024 vor allem die staatlichen und die privaten Konsumausgaben zu. Im zweiten Quartal 2024 ging die Wirtschaftsleistung nach den neuesten Berechnungen um 0,3 % zurück (bisher: -0,1 %), nach einem Plus zum Jahresbeginn (+0,2 %).
Industrieproduktion unter Druck
Das minimale Wachstum im vergangenen Quartal reicht aber nicht aus, um Entwarnung zu geben. Vor allem die deutsche Industrie kämpft weiterhin mit einer schwachen Auftragslage und einer rückläufigen Produktion. Laut dem Ifo-Institut bewerten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes ihre Lage im Oktober erneut schlechter als im Vormonat.
Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen, betont zudem, dass „negative Impulse vor allem aus der Industrie“ kämen, die „im vergangenen Quartal stark geschrumpft“ sei. Dies sei auf eine verhaltene Konjunktur in den deutschen Absatzmärkten sowie eine schwächere Wettbewerbsposition zurückzuführen.
„Die deutsche Wirtschaft kommt nicht von der Stelle“, sagte Dr. Nils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am IfW Kiel, zu den von Destatis veröffentlichten Zahlen. „Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland ist derzeit kaum höher als im Jahr 2019 und somit in den vergangenen fünf Jahren praktisch nicht gestiegen. Nach den pandemiebedingten großen Schwankungen hat die Wirtschaftsleistung seit Anfang 2022 in etwa stagniert. Damit bleibt das Bruttoinlandsprodukt weit hinter dem bis zum Jahr 2019 verzeichneten Wachstumstrend zurück.“
Der kranke Mann Europas
Auch gegenüber anderen Ländern hinke die deutsche Wirtschaft hinterher, fügte Jannsen hinzu. So lag das BIP im übrigen Euroraum zur Jahresmitte um mehr als 5 % über dem Niveau des Jahres 2019. In den vergangenen Quartalen fiel die Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts fast durchgehend schwächer aus als in anderen großen Volkswirtschaften wie Frankreich oder Spanien. Diese Entwicklung setzte sich im dritten Quartal fort, in dem das Bruttoinlandsprodukt in Frankreich um 0,4 % und in Spanien um 0,8 % zulegte.
Auch IW-Konjunkturexperte Thomas Obst betonte die Schwäche im europäischen Vergleich:. „Die Konjunkturzahlen sind ein leichter Hoffnungsschimmer, mehr aber auch nicht: Deutschland bleibt das Problemkind der Eurozone. Auf Jahressicht rechnen wir immer noch mit einer Rezession, Deutschland steckt in der Stagnation fest.“ Auch wenn die privaten und staatlichen Konsumausgaben gestiegen seien, blieben die Alarmsignale – wie die schwache Aufstragslage in der Industrie und die schleppenden Investitionstätigkeiten – unübersehbar. Zusätzlich würden hohe Steuern und Energiepreise, bürokratische Lasten und die im internationalen Vergleich hohen Lohnstückkosten machten dem Standort Deutschland schaden.
Deutschland: Rezession oder Wachstum?
Für das vierte Quartal besteht laut Klaus Wohlrabe die Aussicht auf eine leichte Belebung der Wirtschaft, was sich in den Ergebnissen des Ifo-Geschäftsklimaindex widerspiegele. Diese Einschätzung teilt auch Dr. Nils Jannsen, der jedoch auf die strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft hinweist: „Eine konjunkturelle Erholung wird nichts daran ändern, dass die deutsche Wirtschaft weit hinter ihrem alten Wachstumspfad zurückbleibt.“
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