Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2025: deutsche Wirtschaft stagniert

Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2025

Die deutsche Wirtschaft steckt fest. Zu diesem Ergebnis kommt die Gemeinschaftsdiagnose im Frühjahr 2025. Das Bruttoinlandsprodukt soll den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten zur Folge lediglich um 0,1 % steigen. Neue US-Zölle, globale Unsicherheiten und hausgemachte Strukturprobleme belasten die Konjunktur. Die Institute schlagen Alarm: Ohne tiefgreifende Reformen droht Deutschland dauerhaft ins Hintertreffen zu geraten.

Trotz veränderter Finanzverfassung und globalpolitischer Umbrüche kommt die deutsche Wirtschaft auch im Jahr 2025 nicht vom Fleck. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen in ihrem Frühjahrsgutachten nur mit einem minimalen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,1 %. Erst für 2026 erwarten sie eine moderate Erholung mit einem Anstieg um 1,3 %.

Geopolitsche Spannungen belasten

Hauptverantwortlich für die Flaute sind laut den Instituten geopolitische Spannungen, insbesondere die protektionistische Handelspolitik der USA. Neue Zölle auf Aluminium-, Stahl- und Kraftfahrzeugimporte bremsen das Wachstum in diesem und im kommenden Jahr jeweils um 0,1 Prozentpunkte. Weitere am 2. April angekündigte Maßnahmen könnten diese Effekte sogar verdoppeln. Doch die konkreten Auswirkungen bleiben schwer messbar, da derartige Zollanhebungen im aktuellen globalisierten Gefüge beispiellos sind.

„Die geopolitischen Spannungen und die protektionistische Handelspolitik der USA verschärfen die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland“, sagt Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Zusätzlich sei der internationale Wettbewerbsdruck – insbesondere aus China – gestiegen. Schmidt verweist außerdem auf strukturelle Schwächen wie den Fachkräftemangel und hohe bürokratische Hürden, die das Wachstum hemmen.

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Staatliche Ausgaben steigen

Neben den internationalen Herausforderungen verschärfen auch innereuropäische und nationale Entwicklungen die Lage. Zwar wurde die deutsche Finanzverfassung geändert, um neue Verschuldungsspielräume für Investitionen in Verteidigung, Klimaschutz und Infrastruktur zu schaffen. Doch der tatsächliche Einsatz dieser Mittel bleibt vorerst begrenzt. Die Institute gehen davon aus, dass im laufenden Jahr kaum zusätzliche Gelder abgerufen werden. Stattdessen entfällt der Konsolidierungsdruck, der ohne die Verfassungsänderung notwendig gewesen wäre.

Für 2026 rechnen die Gutachter mit Mehrausgaben des Staates in Höhe von rund 24 Milliarden Euro, was einem konjunkturellen Impuls von 0,5 Prozentpunkten entsprechen könnte. Allerdings dürften insbesondere kleine, bereits gut ausgelastete Wirtschaftsbereiche wie der Verteidigungs- oder Infrastruktursektor davon profitieren – mit potenziell preistreibenden Effekten.

Gemeinschaftsdiagnose rechnet mit steigender Arbeitslosigkeit

Der Arbeitsmarkt spiegelt die angespannte konjunkturelle Lage deutlich wider. Seit Mitte 2022 ist die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 400.000 gestiegen – ein Plus von 20 %. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 5,0 auf 6,3 %. Besonders betroffen sind das Verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe und die Unternehmensdienstleister. Ein Lichtblick: Der öffentliche Dienst, das Bildungswesen und der Gesundheitsbereich verzeichnen weiterhin Beschäftigungszuwächse. Die Institute erwarten jedoch, dass die Arbeitslosigkeit kurzfristig weiter steigt – erst 2026 ist mit einer Entspannung zu rechnen.

Auch die Zinspolitik könnte bald an eine Wende gelangen. In den USA drohen die höheren Importzölle die Preisstabilität zu gefährden. Im Euroraum wiederum führt die expansivere Finanzpolitik zu steigenden Kapitalmarktzinsen. Der Leitzins nähert sich mit 2,5 % seinem neutralen Niveau. Die Institute betonen, dass im Falle einer Lockerung des fiskalischen Regelwerks die Kapitalmärkte verstärkt als Kontrollinstanz für nachhaltige Staatsfinanzen wirken müssen.

Frühjahr 2025: Deutschland steckt noch immer in der Krise

Insgesamt bleibt festzuhalten: Deutschland steckt nicht nur in einer Konjunkturschwäche, sondern kämpft mit tiefgreifenden Strukturproblemen. Diese lassen sich laut den Wirtschaftsinstituten nicht allein durch höhere Staatsausgaben bewältigen. Besonders dringlich sei die Reform des Sozialsystems angesichts des demografischen Wandels, um einen weiteren Anstieg der Lohnnebenkosten zu verhindern.

Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. An der Frühjahrsausgabe 2025 waren das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das ifo Institut, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung beteiligt.

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