Von Matthias Krapp, ABATUS
Viele Anleger denken angesichts der hohen US-Lastigkeit globaler Indizes über eine BIP-Gewichtung nach. Doch dieser Ansatz birgt Risiken und unterschätzt die Effizienz der Marktkapitalisierung.
Globale Aktienindizes wirken zunehmend einseitig: Der US-Markt macht im MSCI All Country World Index (MSCI ACWI) fast zwei Drittel aus. Für viele Anleger stellt sich deshalb die Frage, ob eine Ländergewichtung nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) eine sinnvollere Alternative sein könnte. Auf den ersten Blick erscheint diese Logik plausibel, da die Wirtschaftsleistung eines Landes ein Maßstab für seine Bedeutung in der Weltwirtschaft ist. Doch in der Praxis erweist sich dieser Ansatz als problematisch.
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Die Effizienz der Marktkapitalisierung
Ein kapitalgewichtetes Portfolio spiegelt in Echtzeit die Einschätzungen sämtlicher Marktteilnehmer wider. Preise reagieren sofort auf neue Informationen wie Zölle, geopolitische Spannungen oder Konjunkturdaten. Damit ist die Marktkapitalisierung ein hochdynamisches, sich selbst aktualisierendes Abbild globaler Diversifizierung.
Ein BIP-basiertes Schema verzichtet dagegen auf die Marktpreislogik und kann zu deutlichen Fehlallokationen führen. Beispiel China: Während chinesische Aktien im MSCI ACWI nur 3,1 % ausmachen, läge ihr Anteil in einem BIP-gewichteten Portfolio bei 18,7 %. Anleger wären so einem Klumpenrisiko ausgesetzt, das nicht durch die Marktliquidität gedeckt ist.
Praktische Hürden der BIP-Gewichtung
Neben der Abkopplung von Marktpreisen bringt die Umsetzung weitere Schwierigkeiten:
- Höherer Portfolioumschlag: Da sich BIP-Zahlen nicht kontinuierlich anpassen, erfordern BIP-Portfolios regelmäßiges Rebalancing. Im Zwölfmonatszeitraum bis April 2025 lag der Umschlag im MSCI ACWI GDP Weighted Index bei 8,3 % – mehr als dreimal so hoch wie im kapitalgewichteten MSCI ACWI (2,6 %).
- Verfügbarkeit der Daten: BIP-Zahlen erscheinen verzögert und werden häufig nachträglich revidiert.
- Fehlende Investierbarkeit: Ein großes BIP bedeutet nicht automatisch viele börsennotierte Unternehmen. Italien etwa belegt nach BIP Platz 8 im MSCI ACWI-Universum, stellt aber nur 26 von über 2.500 Titeln.
Verlässlichkeit als Renditetreiber
Viele Anleger erhoffen sich, durch eine alternative Gewichtung in Länder mit besserer Wertentwicklung zu investieren. Doch Studien zeigen, dass sich Länderrenditen kaum verlässlich prognostizieren lassen. Kurzfristige Unterschiede entstehen zwar, als nachhaltiger Renditetreiber erweist sich aber die globale Diversifikation kombiniert mit marktbasierten Allokationen.
Fazit
Auch wenn die Dominanz der USA in globalen Indizes zu Diskussionen führt, ist eine Abkehr von der Marktkapitalisierung kritisch zu sehen. BIP-gewichtete Ansätze überschätzen die reale Investierbarkeit, erhöhen Risiken und verursachen zusätzliche Kosten. Ein an der Marktkapitalisierung orientiertes Portfolio reduziert Klumpenrisiken, bleibt stets aktuell und bietet eine solide Basis für langfristigen Anlageerfolg.
Zum Autor
Matthias Krapp ist Dipl.-Bankbetriebswirt, Podcaster, Buchautor und Geschäftsführer der ABATUS VermögensManagement. Das Unternehmen begleitet Unternehmer/n, Privatiers, Stiftungen, kirchliche Institutionen und private Investoren.
Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlus, AnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
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