Online-Hauptversammlung: Noch Fragen?

Daniela Gebauer
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Daniela Gebauer, Prokuristin / Senior Beraterin, Link Market Services GmbH

Mehr Aktionärsrechte für Online-Hauptversammlungen – das hat sich die neue Bundesregierung ins Hausaufgabenheft, sprich den Koalitionsvertrag, geschrieben. Aber was könnte das konkret bedeuten? 

In den vergangenen zwei Jahren haben sich Aktionäre und Aktionärsvertreter immer wieder darüber beklagt, dass bei der virtuellen Hauptversammlung ihre Rechte beschnitten wurden und insbesondere Fragen an das Management praktisch nicht mehr zugelassen waren. 

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Aktionärsrechte zulassen – aber wie?

Bei der Verlängerung der Möglichkeit der Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung bis zum 31.8.2022 hat der Bundestag in der Gesetzesbegründung explizit darauf hingewiesen, dass beide Optionen der Durchführung doch gründlich geprüft werden sollten, um die Aktionärsrechte nicht weiter zu beschneiden. 

Daher setzen sich derzeit viele, insbesondere größere Unternehmen mit dem Gedanken auseinander, im Zuge einer virtuellen Hauptversammlung Aktionären die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen oder Redebeiträgen – schriftlich oder per Video und Audio – zu geben. Sogar Fragen oder zumindest Nachfragen, gegebenenfalls bis in die Hauptversammlung hinein, könnten von der Verwaltung zugelassen werden.

Grenzen setzen – wieso nicht?

Im Großen und Ganzen war in den vergangenen zwei Jahren zu beobachten, dass die meisten Aktionäre das Fragerecht sinnvoll und verantwortungsvoll genutzt haben. Übermäßig lange und kopierte Fragenkataloge – die Befürchtung vieler Rechts- und IR-Abteilungen – waren nicht die Regel, wenn auch manchmal die Ausnahme. 

In einer Präsenz-Hauptversammlung kann man derartigen Exzessen mit dem Instrument der Frage- und Redezeitbegrenzung gut Herr werden. Und in einem virtuellen Format könnte ein derartiges Instrument ebenfalls eingeführt werden. Für schriftliche Fragen ist eine Begrenzung nach Zeichen oder eine Begrenzung nach Anzahl der eingereichten Fragen denkbar. Bei Video- oder Audiofragen ist die Redezeitbeschränkung nach Minuten durchaus ein gangbarer Weg. 

Präsenz-HV im Netz – geht das?

Die formelle Übertragung der Präsenz-Hauptversammlung ins virtuelle Format bedeutet aber auch, dass sich Aktionäre nicht „wild“ zu Wort melden, sondern dass ein strukturierter Prozess, sprich ein digitaler Wortmeldetisch die Anfragen der Aktionäre sammelt und der Versammlungsleiter, genau wie vor Ort, bestimmten Aktionären zu bestimmten Zeitpunkten das schriftliche oder auch mündliche Wort erteilt.

Die Deutsche Bank, die sich im vergangenen Jahr als Vorreiter zum Thema Rede- und Fragerecht präsentierte, wies bereits in ihrer Einberufung sehr dezidiert auf die spätere Ausgestaltung von Beschränkungen diesbezüglich hin. Bei der Commerzbank hatten alle Aktionäre, die im Vorfeld ihre Fragen eingereicht hatten, und nachdem diese beantwortet waren, jeweils 15 Minuten Zeit, bis zu drei Nachfragen zu stellen. In Österreich ließ die Raiffeisen Bank International sogar telefonische Fragen zu.

Beginnt die Zukunft 2022?

Ohne derartige Beschränkungen werden insbesondere große Hauptversammlungen mit zahlreichen Fragenden nicht auskommen – aber ein entsprechendes Vorgehen war in der Vergangenheit bei Präsenzversammlung ebenfalls erforderlich. 

Die derzeitige Covid-Gesetzgebung zur virtuellen Hauptversammlung bietet aufgrund eines fehlenden Auskunftsanspruchs und damit einhergehend wenig Anfechtungsmöglichkeiten einen interessanten „rechtsfreien“ Raum, in dem Emittenten ein Mehr an Aktionärsteilhabe schon einmal ausprobieren können. Wieso beispielsweise nicht drei Nachfragen von Aktionären zulassen, oder Aktionären im Vorfeld der Hauptversammlung die Möglichkeit bieten, Stellungnahmen per Video oder Audio abzugeben?“

Dass das virtuelle Format mit zusätzlichem technischem und personellem Aufwand verbunden ist, ist unbestritten. Nachdem der Gesetzgeber aber im kommenden Jahr sicherlich genau hinsehen wird, wie die Hauptversammlung der Zukunft aussieht, oder eben auch nicht, könnten Vorreiter der HV-Saison 2022 die Weichen für eine Reform des HV-Rechts stellen.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe AnlegerPlus 01/2022.

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