Politik ohne Plan, Justiz ohne Tempo

Politik Justiz

Die gescheiterte Wahl von drei neuen Richterinnen und Richtern für das Bundesverfassungsgericht lässt mich einigermaßen ratlos zurück. Zwar hatte man sich in den letzten beiden Jahren der Ampelkoalition an chaotisches Regieren gewöhnt. Aber es ist schon erstaunlich, dass die aktuelle schwarz-rote Koalition offenbar nichts daraus gelernt hat. 

Dass es bei sensiblen Personalfragen zu schwierigen Diskussionen kommt, ist nachvollziehbar. Dass man aber nach monatelangen Gesprächen eine Wahl ansetzt, ohne sich im Vorfeld der notwendigen Mehrheiten sicher zu sein, ist schwer nachvollziehbar und wirft kein gutes Licht auf die politische Zukunft.

Dabei stehen Deutschland und die Politik vor enormen Herausforderungen: wirtschaftlich, gesellschaftlich und fiskalisch. Eine hohe Neuverschuldung mag kurzfristig neue Spielräume schaffen, doch auf Dauer braucht es echte Reformen. Im Gesundheitswesen sind strukturelle Anpassungen ebenso überfällig wie in der Rentenversicherung. In der Migrations- und Integrationspolitik besteht ebenfalls dringender Handlungsbedarf. 

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Wenn die politische Führung weiterhin so zögerlich und ideenlos bleibt wie unter Angela Merkel und Olaf Scholz, wird dies die wirtschaftliche Basis des Landes weiter schwächen und vor allem den Wohlstand der Mitte der Gesellschaft gefährden. Wir brauchen deshalb dringend einen Kanzler, der den Mut hat, mit einer klaren Agenda auch unbequeme und weitreichende Reformen durchzusetzen. Gerhard Schröder hat in seiner Amtszeit gezeigt, dass das gelingen kann.

Apropos Reformen. Diese hat auch unser Justizsystem dringend nötig, wie der Fall Wirecard zeigt. Vor mehr als fünf Jahren wurde Dr. Markus Braun, der ehemalige CEO der Wirecard AG, wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug und Bilanzfälschung festgenommen. Seither sitzt Braun ununterbrochen in Untersuchungshaft, eine Dauer, die das vorgesehene Maß längst überschreitet. Die zweijährige Ermittlungsdauer der Staatsanwaltschaft ist angesichts der Komplexität des Wirecard-Falls ja noch nachvollziehbar. Schwer verständlich ist dagegen, warum das Gerichtsverfahren seither bereits über drei Jahre andauert, ohne dass ein Urteil gesprochen wurde.

Zum Vergleich: In den USA wurde Sam Bankman-Fried, Gründer der Kryptobörse FTX, im November 2022 verhaftet, unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche. Bereits ein Jahr später, im November 2023, sprach ihn eine Jury in allen sieben Anklagepunkten schuldig. Ende März 2024 wurde das Strafmaß verkündet: 25 Jahre Haft. Dieses Tempo zeigt, dass auch bei komplexen Wirtschaftsverfahren ein zügiger und rechtsstaatlicher Prozess möglich ist.

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