Von Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, Universität Freiburg und Walter Eucken Institut
Bricht irgendwo in Deutschland eine Brücke zusammen, ist die Schuldenbremse schuld. Kürzen die Länder die Mittel für ihre Universitäten, so ist es die Schuldenbremse gewesen. Kommt der Klimaschutz nicht voran, richtig: die Schuldenbremse – selbst wenn es China ist, das seine CO2-Emissionen massiv steigert. Offenbar ist die deutsche Diskussion um die Schuldenbremse unsinnig. Hier sind die Fakten.
Die Schuldenbremse wurde eingeführt, weil in den gut dreieinhalb Jahrzehnten zuvor die Staatsschuldenquote, also der Bruttoschuldenstand von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), im Trend angestiegen war – von rund 10 % im Jahr 1975 auf rund 65 % im Jahr 2008.
Bindende Regeln wegen ausufernder Staatsfinanzen
Im gleichen Zeitraum lag der Zins für 10-jährige Staatsanleihen in der Regel über der Wachstumsrate des BIP, sodass eine Konsolidierung der Staatsfinanzen mit einer nachhaltigen Reduktion der Schuldenquote notwendig war. Dies galt umso mehr vor dem Hintergrund der spätestens ab dem Jahr 2025 erwarteten demografischen Entwicklung, die zu einem Anstieg der Sozialausgaben führen und damit die Manövrierfähigkeit im Bundeshaushalt erheblich beschränken würde.
Zudem waren von 1994 bis 2005 das Saarland und Bremen bereits in einer Haushaltsnotlage. Berlin und erneut Bremen und das Saarland klagten vor dem Bundesverfassungsgericht Anfang der 2000er-Jahre gegen die bundesstaatliche Gemeinschaft auf Anerkennung einer extremen Haushaltsnotlage.
Die Reform von Art. 115 GG a.F. i. V. m. Art. 109 GG a.F. war somit nicht das Ergebnis der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008–2009, sondern der ungünstigen Lage der Staatsfinanzen zuvor. Der Anstieg der Staatsschuldenquote auf rund 80 % im Jahr 2010 stützte lediglich diese Sorge. Zudem waren stärker bindende Regeln für die Länder mit ihren notorischen Haushaltsproblemen notwendig. Die Finanzkrise wirkte als Katalysator, um die Zweifel der Länder an dieser Reform zu zerstreuen. Schließlich wollte die bundesstaatliche Gemeinschaft nach der Finanzkrise relativ günstige Refinanzierungsbedingungen sicherstellen.
Die Reform hin zur heutigen Schuldenbremse nahm die Fehlsteuerungen durch Art. 115 GG a.F. in den Blick. Der Staat sollte sich nicht länger in Höhe seiner Investitionen verschulden können. Die alte „goldene Regel“ hatte weder den Schuldenanstieg verhindert noch den bis dahin feststellbaren Rückgang der öffentlichen Investitionen aufgehalten. Bis zum Jahr 2009 konnten Schulden darüber hinaus bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aufgenommen werden. Schließlich waren zusätzliche Schulden durch die Einrichtung von Sondervermögen möglich.
Ziele erreicht
Die Schuldenbremse erlaubt nun ein strukturelles Defizit in Höhe von 0,35 % des BIP für den Bund und eine strukturelle Null für die Länder. Eine Ausnahme für Investitionen ist nicht vorgesehen. Der Konjunkturlage wird durch Berechnung einer Konjunkturkomponente Rechnung getragen, die zusätzliche Verschuldungsspielräume in Rezessionen ermöglicht. Hinzu kommt eine Ausnahmeklausel bei besonders schweren exogenen Schocks, die die Finanzlage des Staates erheblich beeinträchtigen. Die dadurch in Anspruch genommenen zusätzlichen Schulden müssen in einem angemessenen Zeitraum getilgt werden. Sondervermögen unterliegen grundsätzlich der Schuldenbremse, mit Ausnahme des Sondervermögens Bundeswehr, das eine zusätzliche Verschuldungsmöglichkeit an der Schuldenbremse vorbei durch Verankerung im Grundgesetz erhielt.
Die Ziele der Schuldenbremse wurden bisher weitgehend erreicht. Die Staatsschuldenquote sank von 2010 bis 2019 auf knapp unter 60 % des BIP. Die Zinsen für Staatsanleihen des Bundes sanken und waren selbst in der Niedrigzinsphase günstiger als diejenigen anderer OECD-Staaten mit Ausnahme der Schweiz. Dies lässt sich kausal auf die Schuldenbremse zurückführen. Lediglich die Finanzlage mancher Länder ist prekär; sie unterlagen der Schuldenbremse bisher noch nicht voll.
Haushaltsspielräume nutzen
Hingegen hatte die Schuldenbremse keinen Einfluss auf öffentliche Investitionen in Prozent des BIP. Diese waren bis zur Einführung der Schuldenbremse vor allem auf der Gemeindeebene gesunken, gingen aber danach nicht weiter zurück und stiegen ab 2017 sogar. In der Tat lässt sich hier kein kausaler Effekt der Schuldenbremse feststellen. Das ist wenig überraschend, weil sich die Gemeinden weiterhin in Höhe ihrer Investitionen verschulden können. Sie tun dies in der Regel dann nicht, wenn sie von Bund und Ländern mit Sozialausgaben überfrachtet werden.
Vor diesem Hintergrund ist von Vorschlägen, die Investitionen oder Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse ausnehmen wollen, wenig zu halten – weder durch eine modifizierte goldene Regel noch entsprechende Sondervermögen. Bund und Länder haben hinreichende Haushaltsspielräume, um Finanzbedarfe für Verteidigung und öffentliche Investitionen zu decken. Sie müssen lediglich Prioritäten setzen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Transferausgaben auf den Prüfstand müssen. Die Subventionen des Bundes stiegen von 2019 bis heute um mehr als das Dreifache; diejenigen der Länder nicht mitgezählt. Sozialtransfers finden nicht selten innerhalb der Mitte des Einkommensspektrums statt.
Ein fröhliches Sowohl-als-auch lässt sich in der Finanzpolitik der kommenden Jahre nicht fortsetzen. Vielmehr muss Deutschland als finanzpolitisches Rückgrat der Europäischen Währungsunion sein AAA-Rating erhalten, um Stabilität zu gewährleisten. Was ein Verlust dieses Ratings bedeutet, demonstriert Frankreich derzeit zur Genüge.
Zum Autor
Prof. Lars P. Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts. Von 2011 bis 2021 war er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, im abschließenden Jahr als dessen Vorsitzender. Von Februar 2022 bis November 2024 war er Berater von Bundesfinanzminister Christian Lindner.
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