Wertvolle Hinweise

Whistleblower
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Moritz Homann, Managing Director Compliance, EQS Group

Die Zeiten, in denen Whistleblower schikaniert, unter Druck gesetzt oder sogar gekündigt wurden, sollen bald der Vergangenheit angehören, genauer gesagt am 17.12.2021, wenn die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebenden spätestens in Kraft treten soll. Allerdings zeigt der jetzt veröffentlichte „Whistleblowing Report 2021“, dass viele Unternehmen in Deutschland immer noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Ein Risiko, nicht nur für die Whistleblower, sondern auch für Unternehmen und damit deren Anleger.

Derzeit bestimmt Whistleblowerin Frances Haugen mit ihren Enthüllungen über Facebook die Schlagzeilen und zeigt damit einmal mehr, welche große Bedeutung Hinweise für Unternehmen bei der Aufdeckung von Missständen haben. Denn die Gefahr, von illegalem oder unethischem Verhalten betroffen zu sein, ist real: In Deutschland war dies im Jahr 2020 bei 37,1 % der Unternehmen mindestens einmal der Fall. Den finanziellen Schaden durch die Missstände bezifferte gut ein Viertel der betroffenen deutschen Unternehmen mit mehr als 100.000 Euro.

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Das geht aus dem „Whistleblowing Report 2021“ (integrityline.com/de/whistleblowing-report) hervor, den die Fachhochschule Graubünden bereits zum dritten Mal in Kooperation mit der EQS Group erstellt hat. Im Rahmen dieser Anfang Oktober veröffentlichten Studie wurden insgesamt 1.239 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz befragt.

Nur jedes siebte Unternehmen erfüllt alle Anforderungen

Der Report untersucht u.a., wie gut europäische Unternehmen auf die Vorgaben der EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebenden vorbereitet sind. Das Ergebnis ist ernüchternd: Zwar erfahren die Inhalte der neuen Regulierung bei den europäischen Compliance-Verantwortlichen große Zustimmung, dennoch erfüllte wenige Monate vor deren Inkrafttreten nur jedes siebte Unternehmen in Deutschland alle Anforderungen.

Bisher verfügen 73,9 % der Unternehmen in Deutschland mit mehr als 249 Mitarbeitenden über eine Meldestelle als Instrument zur Prävention und Aufdeckung von Missständen; diese ist eine der zentralen Anforderungen der Richtlinie. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (20 bis 249 Mitarbeitende) liegt der Anteil dagegen erst bei 43,7 %, allerdings fallen die meisten von diesen (ab 50 Mitarbeitende) auch erst in zwei Jahren unter die Richtlinie. Die kleineren Unternehmen mit 20 bis 49 Mitarbeitenden sind davon gar nicht betroffen.

Unternehmen, die noch keine Meldestelle eingerichtet haben, gehen damit ein großes Risiko ein, denn ihnen fehlt ein effizientes Frühwarnsystem, um Risiken rechtzeitig zu erkennen und Sanktionen, Strafzahlungen und Reputationsschäden abzuwenden. Bei den bestehenden Meldestellen waren im vergangenen Jahr 44,2 % der Meldungen relevant und gehaltvoll, wiesen also tatsächlich auf einen Compliance-relevanten Missstand oder ein Fehlverhalten hin. Damit konnten fast 40 % der befragten deutschen Unternehmen über 80 % des finanziellen Gesamtschadens aufdecken.

Und auch die Meldungen, die aus Compliance-Sicht als nicht relevant eingestuft wurden (45,1 %), zeigten häufig andere interne Probleme oder Verbesserungspotenziale, z. B. beim technischen Support oder der Personalführung, waren allerdings bei der Meldestelle falsch adressiert. Die missbräuchliche Nutzung, ein häufiger Vorbehalt gegen Meldestellen, war dagegen die Ausnahme: In Deutschland hatte nur jede zehnte Meldung nicht wahrheitsgemäße oder verleumderische Inhalte.

Schnelles Handeln ist gefragt

Es sind nur noch wenige Wochen, bis die EU-Hinweisgeberrichtlinie in Kraft tritt. Die Verantwortlichen sollten nun die verbleibende Zeit nutzen, um ein effizientes Meldesystem einzuführen, das ihre Prozesse und die Compliance-Kultur stärkt und das eigene Unternehmen vor Schaden bewahrt. Ob ein solches Frühwarnsystem installiert wurde, sollten Anleger auch bei ihrer Investitionsentscheidung berücksichtigen.

Foto: © Planet Flem – istockphoto.com

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