Wie Finanzplanung für Sicherheit in unruhigen Zeiten sorgt

Finanzplanung

Von Prof. Dr. Rolf Tilmes, CFP®, FPSB Deutschland

Für Anleger bestehen derzeit zahlreiche Unwägbarkeiten und Herausforderungen. Da ist es nicht einfach, die Nerven zu behalten. Wie eine durchdachte und professionelle Finanzplanung in solchen Situationen helfen kann.

Anlegern ist keine Atempause vergönnt. Erst die Coronapandemie, die zu Lieferkettenunterbrechungen, einer ansteigenden Inflation und in Folge zu einer aggressiven Zinswende führte. Dann die massiven geopolitischen Unsicherheiten – der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Auseinandersetzung im Nahen Osten, die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen und die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China. Und auch das Erstarken der populistischen Parteien bei der Europawahl hat zuletzt nicht gerade zur Beruhigung beigetragen. Dazu kommen immer wieder aufkeimende Rezessionssorgen sowie der unklare Inflations- und Zinsausblick. Auch wenn sich die Aktienmärkte zuletzt gut entwickelt haben, so führen die beschriebenen Unsicherheiten doch auch immer wieder zu Phasen deutlich erhöhter Volatilität.

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Aber das ist laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young aus dem vergangenen Jahr noch nicht alles, was die Anleger heutzutage in Atem hält. Gemäß der Befragung von 2.600 vermögenden Kunden aus 27 Ländern trägt zu der gestiegenen Verunsicherung der Investoren auch die in den vergangenen Jahren erweiterte Produktkomplexität und -vielfalt bei. Die mit neuen Anlageklassen verbundene höhere Volatilität und deren Auswirkungen auf die Portfolios werten viele Anleger als Nachteil. Als Beispiele nennt die Untersuchung nachhaltige, an den sogenannten ESG-Kriterien orientierte Anlagen sowie digitale Vermögenswerte, bei denen die Befragten den höchsten Erklärungsbedarf sehen.

Eine Erklärung für das Versäumnis könnte sein, dass viele Verbraucher zumeist gar nicht wissen, wo sie überall digitale Spuren hinterlassen und was genau dazu gehört. Dabei umfassen Nachlässe und Erbschaften immer häufiger auch digitale Bestandteile. Über die Jahre kommen da sehr viele Daten zusammen, zumal digitale Spuren auch unbewusst hinterlassen werden.

Zu häufiges aktives Handeln

Und noch etwas trägt dazu bei, dass Anleger in unruhigen Zeiten schnell nervös werden: Viele betreiben zu häufig aktives Management. Es ist erwiesen, dass ein solches Vorgehen Rendite kostet. Laut einer Studie des US-Research-Hauses Dalbar betrug die Rendite von privaten Investoren in der Vergangenheit nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Marktrendite. Und das wiederum ist oftmals eine Folge davon, dass sie sich von vermeintlich heißen Tipps leiten lassen und glauben, durch häufiges Handeln den Markt schlagen zu können. In der Tat gilt Selbstüberschätzung als einer der häufigsten Anlegerfehler.

Wer selbst Geld anlegt, sollte sich dabei stets klar machen, dass es in aller Regel sogar Profis schwerfällt, besser abzuschneiden als der breite Markt. Das verdeutlichen auch aktuelle Zahlen: Laut Morningstar haben 90 % der aktiv gemanagten Aktienfonds zwischen 2003 und 2023 mehr Einzeltitel ausgewählt, die schlechter abschnitten als der Index. Und zwischen 2003 und 2022 gelang es nur 17 % der US-Aktienfondsmanager sowie 14 % der US-Anleihefondsmanager, ihren jeweiligen Vergleichsindex zu schlagen. Es stellt sich also die Frage, wie Privatanleger es besser machen und gleichzeitig den zunehmenden Herausforderungen und der eingangs genannten gestiegenen Unsicherheit begegnen können.

Ganzheitliche Betrachtung der Finanzplanung

Eine Antwort auf die Herausforderungen kann ein durchdachter und professionell erstellter Finanzplan liefern. Während bei einer üblichen Finanz- und Anlageberatung in der Regel die reine Geldanlage im Fokus steht, ist das bei einem Finanzplan nicht der Fall. Hier geht es vielmehr um eine 360-Grad-Betrachtung. Das heißt konkret: Ein professioneller und hervorragend ausgebildeter Finanzplaner, ein sogenannter CERTIFIED FINANCIAL PLANNER®-Professional (CFP®), wird zusammen mit seinem Mandanten dessen Einnahmen und Ausgaben, Vermögen und Schulden, die eventuell vorhandenen Immobilien, die Absicherung der eigenen Person und der Familie, das Wertpapierdepot sowie die individuelle Lebenssituation und schließlich sogar die Nachfolgeplanung sowie die Wechselwirkungen all dieser Aspekte untereinander berücksichtigen. Denn nur durch eine solche umfassende und ganzheitliche Betrachtung ist ein Finanzplaner in der Lage, gezielt auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kundinnen und Kunden einzugehen.

Eine solche Vorgehensweise scheint dabei auch den Bedürfnissen der Anleger entgegenzukommen. Denn gerade vermögende Kunden, so eine Folgerung der Ernst-&-Young-Studie, legten heutzutage einen zunehmend höheren Wert auf eine individuelle und auf ihre spezifischen Bedürfnisse, Ziele und finanziellen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. Anforderungen, denen eine professionelle Finanzplanung gerecht wird. Denn auf Basis der genannten Aspekte sowie intensiver Gespräche wird ein Finanzplaner gemeinsam mit seinen Kunden deren Ziele definieren. Dabei kann es um verschiedene Fragen gehen: zum Beispiel, wie lange jemand arbeiten möchte, was jemandem im Leben wichtig ist, welche Risiken abgesichert werden sollen, wie hoch die Ausgaben im Ruhestand sein werden und vieles mehr.

Keine Angst vor Extremereignissen

Dem wird gegenübergestellt, wo sich der Kunde befindet – und daraus wiederum ergibt sich unter Berücksichtigung der persönlichen Risikoneigung ein Plan, wie die definierten Ziele erreicht werden können, eine Art Roadmap. Dabei ist entscheidend, dass professionelle Finanzplaner aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung in der Lage sind, die Präferenzen und Bedürfnisse ihrer Kunden genau zu verstehen und mithilfe von Finanzplanungs- und Portfolio-Management-Tools, die eine datengestützte Szenarioplanung ermöglichen, den Vermögensaufbau der Kunden so steuern, dass dieser sich auch in schwierigen und volatilen Marktphasen gut entwickeln kann. Und dass letztlich die langfristigen Finanzziele auch beim Auftreten von Extremereignissen nicht gefährdet werden.

Die qualitativ hochwertige und langfristig ausgerichtete Beratung durch CERTIFIED FINANCIAL PLANNER®-Professionals gewährleistet, dass sich verändernde Lebenssituationen der Kunden adäquat in die Finanzplanung eingearbeitet werden, beispielsweise Veränderungen an den Risikopräferenzen oder anderen Parametern vorgenommen werden. Ferner verfügen CFP®-Professionals aufgrund ihrer kontinuierlichen Weiterbildung auch über eine hohe Kompetenz im Hinblick auf neue Produkte und Anlageklassen. Sie begleiten ihre Kunden gerade in schwierigen Phasen intensiv und sorgen dafür, dass diese an ihrer Langfriststrategie festhalten.

Der Begriff „digitaler Nachlass“ verleitet oft dazu, sich ausschließlich auf Testamente oder in seltenen Fällen Erbverträge zu konzentrieren. Das ist nicht falsch, aber nicht ausreichend. Auch Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen sollten diese Informationen enthalten. In einer Vollmacht kann der Erblasser zudem frühzeitig festlegen, was nach dem Tod mit seinen Accounts, Passwörtern und anderen digitalen Spuren, wie Daten in Cloud-Diensten, passieren soll und wer die Zugriffsrechte erhält.

Und sofern es einen unternehmerischen Hintergrund gibt, sollte unbedingt zwischen Regelungen für den privaten und den unternehmerischen Nachlass getrennt werden.

Besonders in Zeiten hoher Unsicherheit und hoher Volatilität an den Märkten kann also ein Finanzplan helfen, Vertrauen in die eigene finanzielle Vorsorge zu bekommen. Denn damit haben Anleger ausgehend von ihrer aktuellen Situation einen genauen, an ihre persönliche Risikotoleranz ausgearbeiteten soliden Plan, mit dem sie die Stürme am Kapitalmarkt überstehen und ihre gesteckten Ziele langfristig erreichen. Wer also Sicherheit in unsicheren Zeiten sucht, für den ist ein Finanzplan empfehlenswert. Der nächste Crash kommt bestimmt. Und dann hilft eine klare Orientierung, die Nerven zu behalten. Denn: Finanzplanung ist Lebensplanung.

Zum Autor

Prof. Dr. Rolf Tilmes ist Vorstandsvorsitzender des Financial Planning Standard Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland) und Academic Director Finance, Wealth Management & Sustainability Management an der EBS Executive School, Oestrich-Winkel.

Weitere Informationen zu den zertifizierten Finanz- und Nachfolgeplanern finden Sie auf der Homepage des FPSB Deutschland, einen zertifizierten Berater in Ihrer Nähe unter dieser Adresse.

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