Marcel Meier, Börse Stuttgart
Noch immer setzen viele deutsche Anleger hauptsächlich auf heimische Aktien. Dabei bieten sich auch abseits des hiesigen Markts Chancen – beispielsweise in Schweden, das über eine robuste Wirtschaft und eine ausgeprägte Aktienkultur verfügt. Um Anlegern einen Zugang zu diesem Markt zu bieten, hat die Börse Stuttgart ein neues Handelssegment gestartet.
Inhalt
- Schwedens Leitindex schlägt den DAX
- Die schwedische Wirtschaft als Vorbild?
- Schwedens Staatsfonds in Europa auf Platz eins
- Zugang zum Kapitalmarkt der nordischen Länder
Wer sich die Umsatzzahlen im Aktienhandel an der Börse Stuttgart genauer anschaut, findet Hinweise auf einen interessanten Trend unter Anlegern. Deutsche Aktien machten im Januar 2019 noch mehr als zwei Drittel des Gesamtumsatzes im Aktienhandel aus – lediglich 31 % des Handelsvolumens entfielen auf Auslandsaktien. Ein Jahr später wuchs der Umsatzanteil ausländischer Aktien in Stuttgart bereits auf knapp 40 %. Dieser Trend setzt sich im Januar 2021 fort: In diesem Zeitraum steuerten ausländische Werte mehr als 56 % zum Gesamtumsatz im Aktienhandel bei.
Dazu könnten zwei Faktoren beitragen: Zum einen sind viele Anleger mit Produkten und Dienstleistungen von Digitalunternehmen aus Übersee wie Amazon, Google, Samsung oder Apple vertraut. Nur logisch also, dass sie sich auch bei ihren Investments nicht auf den deutschen Aktienmarkt beschränken, sondern zunehmend auf ausländische Unternehmen setzen, deren Services sie in Anspruch nehmen.
Zum anderen erlaubt die Digitalisierung einen weitaus einfacheren Zugang zu Nachrichten aus anderen Ländern. So können private Anleger inzwischen ebenfalls eine Vielzahl von Websites nutzen und übersetzen lassen, die wichtige Informationen für Investitionen in Auslandsaktien bieten. Und so machen sich mehr und mehr Anleger auf die Suche – zum Beispiel auch in Skandinavien.
Schwedens Leitindex schlägt den DAX
In der Tat kann der skandinavische Aktienmarkt einen Blick wert sein. Während der DAX auf Sicht von zwölf Monaten rund 13 % zulegen konnte, beträgt das Plus beim MSCI Nordic-Index mehr als 26 %. Dieser Index bildet die vier skandinavischen Länder Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden ab. Auch auf Sicht von fünf Jahren weist der MSCI Nordic einen Zuwachs von über 42 % auf, während der DAX im selben Zeitraum knapp 20 % zulegen konnte. Einen großen Anteil daran haben schwedische Werte, die im MSCI Nordic-Index mit rund 42 % gewichtet sind.
Dabei zeigt sich beim Vergleich von DAX und dem schwedischen Leitindex OMX Stockholm 30 eine recht ähnliche Zusammensetzung: In beiden Indizes war der Sektor Elektronik sowie Hard- und Software Ende Januar 2021 mit jeweils rund 29 % am stärksten gewichtet. Direkt dahinter folgte der Bereich rund um Chemie, Pharma und Medizintechnik, der sowohl beim DAX als auch beim OMX Stockholm 30 rund ein Viertel des Index ausmachte. Lediglich in den beiden Sektoren Finanzen sowie Maschinenbau, Verkehr und Logistik unterschieden sich die zwei Leitindizes geringfügig – hier wies der DAX eine leicht höhere Gewichtung auf.
Die schwedische Wirtschaft als Vorbild?
Die Ökonomen der Europäischen Kommission rechnen damit, dass die schwedische Wirtschaft die Coronakrise im zurückliegenden Jahr deutlich besser verkraftet hat als die Wirtschaft der meisten anderen EU-Staaten. Die Experten erwarten für das schwedische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 einen Rückgang um 3,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Damit läge Schweden verglichen mit allen EU-Staaten auf Platz drei.
Zurückzuführen sei das gute Abschneiden zum einen auf den schwedischen Sonderweg bei der Coronapandemie, der lange ohne flächendeckenden Lockdown auskam und Geschäfte und Fabriken geöffnet ließ. Zum andern profitiere Schweden von einer wettbewerbs- und leistungsfähigen Industrie und einer vergleichsweise geringen Staatsverschuldung. Somit verfüge das Land gerade im Vergleich der EU-Staaten über einen großen finanziellen Spielraum zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Aktien im Handelssegment „Nordic Growth Market“
Unternehmen | ISIN | Geschäftsmodell |
Eurobattery Minerals | SE0012481570 | Das Bergbauunternehmen konzentriert sich auf die Exploration und Entwicklung mehrerer Nickel-Kobalt-Kupfer-Projekte in Europa für die Elektrofahrzeugbatterien-Wertschöpfungskette. |
Metacon | SE0003086214 | Das Energietechnikunternehmen entwickelt und vertreibt kleine und große Energiesysteme zur Erzeugung von Wasserstoff, Strom und Wärme. |
Quickbit eu | SE0010662585 | Das schwedisches Fintech-Unternehmen bietet u. a. Lösungen für E-Händler an, mit denen Kunden in Kryptowährung bezahlen können. |
Raytelligence | SE0011721356 | Das Medizintechnik-Unternehmen legt den Fokus auf die Analyse und das Erfassen von Herzfrequenzen und verschiedenen Bewegungsmustern. |
Zum anderen fördert Schweden durch Steuererleichterungen und Vereinfachungen beim Börsengang aktiv die Kapitalmarktkultur von Unternehmen. Deshalb wagen insbesondere kleinere und mittelgroße Unternehmen sowie Start-ups den Schritt an die Börse, der oftmals mit Investitionen und neuen Arbeitsplätzen verbunden ist. Während in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren lediglich 11 Börsengänge stattfanden, waren es in Schweden ganze 69.
Neben diesem aktiven Kapitalmarkt zeichnet die schwedische Wirtschaft ein innovatives Klima aus. Einer Studie der Europäischen Union zufolge findet sich Schweden gemeinsam mit anderen skandinavischen Ländern in Bezug auf Innovationskraft auf den vorderen Plätzen. Überprüft wurden dabei unter anderem der Einsatz von Zukunftstechnologien sowie einfache Investitionsmöglichkeiten. Die Weltbank attestiert Schweden in ihrer Studie „Ease of Doing Business“ zudem ein besonders gründerfreundliches Umfeld.
Schwedens Staatsfonds in Europa auf Platz eins
Doch nicht nur Unternehmen, sondern auch die Bevölkerung kommt in Schweden in Berührung mit dem Kapitalmarkt: Aus dem Rentenversicherungsbeitrag eines jeden Schweden fließen automatisch 2,5 % in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge. Dabei kann man sich für einen Vorsorgefonds entscheiden – oder sein Geld dem staatlich verwalteten AP7 Aktienfonds anvertrauen. Dieser rückte im Sommer letzten Jahres mit einem Vermögen von damals fast 58 Mrd. Euro auf Platz eins der größten Fonds Europas.
Die Performance des AP7 Aktienfonds kann sich mehr als sehen lassen: Laut Experten der Ratingagentur Morningstar zählt dieser langfristig zu den besten weltweit anlegenden Aktienfonds in Europa. Immerhin bescherte der AP7 Aktienfonds den schwedischen Anlegern in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt ein Plus von knapp 15 % pro Jahr.
Zugang zum Kapitalmarkt der nordischen Länder
Um deutschen Anlegern Zugang zum Kapitalmarkt der nordischen Länder zu verschaffen, hat die Börse Stuttgart Anfang dieses Jahres das Handelssegment „Nordic Growth Market“ geschaffen. Dieses umfasst schwedische Aktien, die an der Stockholmer Börse NGM und mit einem Zweitlisting an der Börse Stuttgart notieren. Somit können Anleger in einer frühen Phase Aktien schwedischer Wachstumsunternehmen handeln und an möglichem Wachstum teilhaben. Das schafft interessante Perspektiven – insbesondere für risikoaffine Anleger mit dem Wunsch nach höherer Rendite und Diversifikation.
Zum Start umfasst das Handelssegment „Nordic Growth Market“ der Börse Stuttgart die schwedischen Aktien der Eurobattery Minerals AB, der Metacon AB, der Quickbit eu AB und der Raytelligence AB. Diese Werte sind seit Mitte Januar 2021 an der Börse Stuttgart handelbar – und stoßen bei den Anlegern seither auf reges Interesse. Die Aktien- und Unternehmenskultur Schwedens scheint also auch in Deutschland durchaus Anklang zu finden.
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