Varengold Bank: Zahlen wow, Aktie mau

Varengold Bank Aktie
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Es könnte für die Varengold Bank AG eigentlich kaum besser laufen: Die Nettoerträge legten um 60 % auf 15,7 Mio. Euro zu und das EBT stieg im ersten Quartal 2022 um 90 % auf 7,8 Mio. Euro. Dennoch hielt sich die Freude der Aktionäre in Grenzen.

Während die Aktie nach Vorlage der Quartalszahlen am 11. April kurzfristig deutlich zulegen konnte, gab sie alle Kursgewinne in den folgenden Wochen wieder ab und fiel mittlerweile jedoch mit 3,32 Euro auf ein neues Jahrestief. Was ist los bei Varengold?

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Geschäftsmodell

Die Varengold Bank AG mit Sitz in Hamburg ist ein deutsches Kreditinstitut mit Vollbanklizenz. Sie ist für institutionelle Kunden in den beiden Geschäftsfeldern Marketplace Banking und Transaction Banking tätig. Privatkunden können bei Varengold Tagesgeld- und Festgeldkonten eröffnen.

Im Marketplace Banking sind europäische FinTechs die Zielgruppe von Varengold. Das Leistungsportfolio der Bank umfasst Funding, Dept- und Equity-Capital-Markets-Produkte, Fronting Services, Banking as a Service und internationale Zahlungsverkehrsdienstleistungen.

Im Segment Transaction Banking fungiert die Varengold Bank als globaler Partner, der Unternehmen dabei unterstützt, maßgeschneiderte Transaktionen und Handelsaktivitäten über Ländergrenzen hinweg abzuwickeln. Das Produkt- und Serviceportfolio umfasst hierbei Kontoführung, Zahlungsverkehr und Handelsfinanzierung.

Ein Blick auf die Zahlen

Der Offenlegungsbericht 2020 macht deutlich, dass der Konzern Kunden aus der ganzen Welt betreut. Mit allgemeinen Kreditrisikopositionen von rund 42,1 Mio. Euro ist Deutschland, im Bereich Marketplace Banking, zwar am stärksten vertreten, jedoch hat die Bank ebenfalls Kreditpositionen in anderen Ländern, u. a. Luxemburg (16,9 Mio. Euro), Bulgarien (18,3 Mio. Euro), Großbritannien (19,6 Mio. Euro), USA (4,2 Mio. Euro) oder den Kaimaninseln (26,1 Mio. Euro). Insgesamt erwirtschaftet Varengold jedoch laut eigenen Aussagen einen Großteil der Gesamterträge mit Kunden aus Westeuropa.

Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2021 legte die Bank deutlich verbesserte Zahlen gegenüber dem Vorjahr vor. Die Nettoerträge haben sich auf 54,5 Mio. Euro fast verdoppelt. Der Gewinn vor Steuern (EBT) wurde auf 22 Mio. Euro sogar mehr als verzehnfacht. Dank Barreserven in Höhe von rund 400,8 Mio. Euro sowie Forderungen von 405,5 Mio. Euro sieht sich die Varengold Bank gut für die Zukunft aufgestellt. Ein großer Teil der Verbindlichkeiten kann aus Eigenmitteln getilgt werden.

Damit wären eigentlich die Voraussetzungen für eine deutlich positive Kursentwicklung gegeben. Doch tatsächlich konnten die Aktionäre der Varengold Bank AG seit 2016 nahezu keine Rendite erzielen. Denn es gibt einen Haken.

Risiken durch Cum-Ex

Hauptgrund für die schwache Performance der Aktie dürfe eine Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg sein. Im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften soll einer der Strippenzieher Geld über die Varengold Bank gewaschen haben. Insgesamt wurde gegen sieben Beschuldigte Anklage erhoben, die zwischen 2011 und 2015 mehr als 500 Mio. Euro aus einem vorherigen Steuerbetrug über Konten reingewaschen haben sollen. Einer der Beschuldigten soll laut Staatsanwaltschaft dabei ein Konto der Varengold Bank AG benutzt haben.

Zwar hat die Varengold Bank das Ermittlungsverfahren durch eine Geldwäscheverdachtsanzeige selbst ins Rollen gebracht. Jedoch muss sie sich aktuell dennoch mit einer Schadensersatzklage auseinandersetzen, die ihr Eigenkapital deutlich übersteigt. Zum Ende des Jahres 2021 konnte der Konzern ein Eigenkapital in Höhe von rund 55,83 Mio. Euro vorweisen. Die Caceis Bank Deutschland, eine Tochter der französischen Großbank Credit Agricole, verlangt von der Varengold Bank AG 102 Mio. Euro, da diese über eine Tochtergesellschaft der Varengold Bank bei Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt haben soll, die über Caceis abgewickelt worden sind, und für die der Fiskus Caceis haftbar gemacht hat. Ob die Varengold Bank AG wirklich schadensersatzpflichtig ist, ist jedoch unklar.

Noch mehr Risiken

Auch die Frage, gegenüber wem man am Ende haftet, spielt eine entscheidende Rolle. Einer der sieben Angeschuldigten im Cum-Ex-Komplex ist der britische Staatsbürger Sanjay Shah, der sich aktuell in Dubai aufhält. Nach Ansicht von Ermittlern soll er die dänische Staatskasse um rund 1,7 Mrd. Euro betrogen haben und einen Teil des Geldes über die Varengold Bank AG gewaschen haben. Dieser war nicht nur lange Mehrheitseigentümer der Bank, sondern hatte außerdem einen Platz im Aufsichtsrat. Sollte der Konzern letztlich sogar gegenüber einem Staat haften müssen, könnten die Kosten deutlich höher ausfallen als bei einer Schadensersatzpflicht gegenüber der Caceis.

Um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, haben wir selbst nachgefragt und Kontakt mit Varengold aufgenommen. Eine Sprecherin der Varengold Bank AG erklärte uns, man könne zwar bezüglich der Schadensersatzklage keine Ausführungen machen, jedoch messe man dem Eintrittsrisiko einer Haftung eine geringe Wahrscheinlichkeit zu.

Fazit

Die Varengold Bank AG konnte in der Vergangenheit beweisen, dass man kontinuierlich wachsen und profitabel wirtschaften kann. Das KGV bewegt sich im niedrigen einstelligen Bereich. Ein Blick auf den Aktienkurs zeigt jedoch, dass die fundamentalen Daten schon lange nicht mehr im Fokus der Anleger stehen. Der Cum-Ex-Skandal bzw. daraus möglicherweise resultierende Schadenersatzforderungen, die das Eigenkapital der Varengold Bank AG übersteigen, haben den Markt verunsichert. 

Überraschend ist das nicht, denn sollte die Varengold Bank AG für Schäden haftbar gemacht werden können, könnte sogar ein Totalverlustrisiko bestehen. Aus diesem Grund dürfte sich die Lage am Aktienmarkt für die Varengold-Aktie erst wieder entspannen, wenn mehr Klarheit über die Schadensersatzpflicht der Varengold Bank AG herrscht. Bis dahin brauchen Anleger ein dickes Fell, denn je nach Ausgang könnte der Aktienkurs am Ende abheben oder in sich zusammenfallen.

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Foto: © Varengold Bank AG

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