Von Dr. Alexander Orthgieß, Geschäftsführer der BAGUS Capital GmbH
Aktien in Krisenzeiten, bereiten wenig Anlegern Freude. Die Kurse purzeln und Anleger blicken mit Grauen in ihre Depots. Der Schriftsteller Max Frisch beschrieb Krisen als produktiven Zustand, man müsse ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Krisen gehören zu den Kapitalmärkten genauso dazu wie Phasen irrationalen Überschwangs. Wie im Alltag müssen Krisen auch an der Börse gemeistert werden.
Gerade erleben wir multiple Krisen und „Zeitenwende“, so die Schlagzeilen. Die Kurse purzeln und viele Anleger blicken mit Grauen in ihre Depots. Nun ist guter Rat teuer, denn die intuitiven Fluchtwege sind verbaut. Zu viel Geld am Konto kostet (noch), von der realen Rendite nach Abzug der Inflationsrate ganz zu schweigen, und Anleihen sind in Zeiten steigender Zinsen ebenfalls alles andere als der erhoffte sichere Hafen. Gold hilft ein wenig, aber nur dank des schwachen Euros.
Wo liegt das Problem? Es ist die menschliche Psyche und ganz verständliche emotionale Reflexe. Jedes Mal, wenn die Märkte verrücktspielen, will man mehr von den Anlagen, die gerade gut laufen, und von solchen, die gerade verprügelt werden, nie etwas gewusst haben. Im Fachjargon heißt das, man hat seine Risikotragfähigkeit falsch eingeschätzt.
Inhalt
- Tipp 1: Ruhe bewahren & Missstände beseitigen
- Vergangene Krisen im Überblick
- Tipp 2: Die passende Allokation finden
- Über den Autor
Tipp 1: Ruhe bewahren & Missstände beseitigen
Was können Sie als betroffener Anleger, dem es möglicherweise so ergeht, jetzt tun, um wieder mit sich ins Reine zu kommen? Als Erstes sollten Sie Ihr Portfolio in aller Ruhe sichten. Lassen Sie sich von den Lautsprechern in den Medien oder auch in Ihrem Bekanntenkreis nicht ins Bockshorn jagen. Denn es geht um Ihr Geld.
Fragen Sie sich: Gibt es Unwuchten im Portfolio oder Klumpenrisiken? Über welche Anlagen hat man sich schon vorher geärgert und welche haben in der Krise erneut enttäuscht? Sind noch irgendwelche Altlasten im Depot, bei denen man sich scheut, Verluste zu realisieren, weil das im Grunde immer auch das Eingeständnis eines Fehlers ist? Nehmen Sie sich ein Herz, beseitigen Sie die allergrößten Missstände und verkaufen Sie solche Titel.
Bauen Sie eine Kriegskasse auf. Sie werden sie brauchen, denn irgendwann geht es wieder aufwärts. Fangen sie an, das Geld langsam und schrittweise wieder arbeiten zu lassen, denn Sie werden nur durch Zufall den besten Zeitpunkt für den Einstieg finden.
Kaufen Sie Fonds oder ETFs auf Regionen, aber bitte nichts Exotisches, oder einen Strauß an Einzeltiteln, wenn die Taschen tief genug sind. Diversifikation ist wichtig. Sie verhindert übermäßige Verluste und sorgt dafür, dabei zu sein, wenn die Börsen wieder nach oben drehen.
Dann geht es darum, das Depot zukunftssicher zu machen. Was heißt das? Bauen Sie sich ein Portfolio auf, mit dem Sie sich wohlfühlen und auch ruhig schlafen können, wenn es an der Börse wieder kracht. Seien Sie ehrlich mit sich und fragen Sie sich, wieviel zwischenzeitliche Verluste Sie zu tragen bereit sind.
Vergangene Krisen im Überblick
Machen Sie sich bewusst, dass Kursschwankungen auch in langanhaltenden Aufwärtsphasen dazugehören. Der S&P 500 Index verzeichnete seit den 1980er-Jahren mehr als der Hälfte aller Jahre zwischenzeitliche Kursrückgänge von mehr als 10 %! Aber vor 2022 gab es „nur“ neun negative Jahre, was immerhin auch 20 % entspricht. Wenn man aber jedes Mal verkauft hätte, wenn es ruppig wurde, hätte man viel Rendite verpasst, denn die besten Börsentage sind meist die unmittelbar nach dem Tiefpunkt.
Der Zeitraum seit 1980 ist lang und von sinkenden Zinsen geprägt. Dennoch herrschten an den Börsen völlig unterschiedliche Regime, die interessanterweise fast im Dekadenrhythmus wechselten. Die 70er-Jahre waren geprägt von hohen Inflationsraten und Ölkrisen. Die Gewinner an der Börse Sachwert-Aktien, Rohstoffe und Energie. In den 80er-Jahren begann der sagenhafte Aufstieg Japans. Dem Land schien die Zukunft zu gehören und jeder wollte dabei sein. Vom Platzen der damaligen Blase hat sich der dortige Kapitalmarkt immer noch nicht erholt.
Die 90er-Jahre standen ganz im Zeichen technologischer Errungenschaften. Was damalige Unternehmen an Nasdaq und am Neuen Markt versprachen, wurde erst Jahre später und meist von anderen geliefert. In den Nullerjahren wurden die Emerging Markets hoffähig und versprachen Wachstum auf Jahre hinaus. Folglich waren auch chinesische Banken und Rohstofftitel besonders gefragt.
Zuletzt haben die Internetgiganten aus dem Silicon Valley die Welt erobert. Das Wachstum der Weltwirtschaft war schwach und die Notenbanken feuerten aus allen Rohren. Zinsen schmolzen dahin und Bewertungen schossen in die Höhe. Nie war die Phase, in der Growth Value outperformte, länger. Corona verstärkte dieses Phänomen noch.
Die passende Allokation finden
Nun müssen wir uns wieder auf etwas Neues einstellen. Wie die neue Welt aussehen wird, wissen wir alle nicht. Zu viele Unbekannte sind im Spiel. Aber man kann annehmen, dass sich das Börsenregime erneut ändern wird – Stichworte: Inflation und höhere Zinsen, Rohstoff- und Arbeitskräftemangel, geopolitische Verschiebungen etc.
Unter diesen Prämissen sollten Sie sich eine geeignete Vermögensaufteilung bzw. Asset Allokation überlegen. Die Aufteilung in unserem Dachfonds erfolgt beispielsweise grundsätzlich nur in liquiden, aktiv gemanagten Fonds. Der Mix aus Aktien, Anleihen und Cash ist in der Grafik „Allokation Dachfonds“ abgebildet.
Vielleicht werden Sie sich jetzt fragen, warum Anleihenfonds? Auf dem aktuellen Zinsniveau gibt es bereits wieder attraktive Verzinsungen, nicht unbedingt beim deutschen Staat, aber bei gut gemanagten Unternehmen. Die Kernallokation besteht aber aus Aktienfonds, die langfristig trotz aller Schwankungen die nachhaltig beste liquide Anlageform sind.
Bei der Aufteilung der Aktien nach Ländern bzw. Regionen gehen wir pragmatisch vor. Da wir uns schwerpunktmäßig in weltweit investierenden Fonds engagieren, lassen sich Ländergewichtungen ohnehin nur grob steuern. Wir bevorzugen eine Aufteilung, die vom MSCI Weltindex mit dem überragenden Gewicht der USA und der Vernachlässigung der Emerging Markets deutlich abweicht.
Abschließend noch ein Rat: Denken Sie dran, Investieren wird immer von verpassten Chancen begleitet. Es gibt immer ein Investment, das besser war als das eigene – oder anders ausgedrückt: Der Rückspiegel ist immer der beste Investor. Rennen Sie nicht jedem Trend nach, das schafft nur Unruhe. Machen Sie die Hausaufgaben in guten Zeiten, dann vermeiden Sie den Stress der Krise. Bleiben sie ambitioniert, aber demütig!
Über den Autor:
Dr. Alexander Orthgieß verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Auswahl von Investmentfonds. Er war Vorstand bei der renommierten Münchner Vermögensverwaltung Döttinger/Straubinger und nach der Fusion mit dem Hamburger Family Office Spudy&Co Mitglied der Geschäftsleitung bei Auretas Family Trust.
Seit 2019 berät er den vermögensverwaltenden Dachfonds BAGUS Global Balanced (www. bagus-capital.com). Er investiert mit weltweiter Ausrichtung vorwiegend in Aktien- und Anleihenfonds. Die Fondsauswahl erfolgt vor allem nach qualitativen Kriterien. Besonderer Wert wird auf die Person des Fondsmanagers und die Stringenz des Investmentansatzes gelegt.
BAGUS Capital GmbH ist vertraglich gebundener Vermittler der NFS Netfonds Financial Service GmbH.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe AnlegerPlus.
Foto: © Oliver Jung