Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Das Thema Nachhaltigkeit ist derzeit im Fokus der Aufmerksamkeit des Gesetzgebers. Nachdem der Bundestag gerade das Lieferkettengesetz verabschiedet hat, soll die bereits seit 2017 bestehende sogenannte Corporate Social Responsibility-Berichtspflicht auf eine Vielzahl an Unternehmen erstreckt und inhaltlich ausgeweitet werden.
Nach einer öffentlichen Konsultation im Jahr 2020 hat die Europäische Kommission am 21. April 2021 einen Richtlinienvorschlag zur CSR-Berichterstattung im Rahmen eines umfassenden Maßnahmenpakets vorgelegt, mit dem in der EU mehr Geld in nachhaltige Tätigkeiten gelenkt werden soll.
Ausweitung des Anwendungsbereichs
Bisher müssen große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, sofern eine Mindestschwelle von 500 Arbeitnehmern erreicht ist. Künftig sollen sämtliche Unternehmen, die an einem regulierten Markt in der EU gelistet sind (bis auf Kleinstunternehmen), zudem große nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie die meisten Banken und Versicherungen der Pflicht unterliegen. Nach Schätzungen sind das allein in Deutschland zehnmal so viele Unternehmen wie bislang.
Als großes nicht kapitalmarktorientiertes Unternehmen gilt dabei ein Unternehmen, wenn es zwei der drei folgenden Kriterien überschreitet:
– Bilanzsumme: 20 Mio. Euro
– Umsatzerlöse: 40 Mio. Euro
– Mitarbeiteranzahl: 250
All diese Unternehmen müssen künftig im Lagebericht über soziale Belange, Arbeitnehmer- und Umweltfragen, Menschenrechte, Bestechung und Korruption berichten. Für börsennotierte KMU werden freiwillige, vereinfachte Berichtsstandards erstellt, mit denen es diesen ermöglicht werden soll, den Informationsbedarf ihrer Stakeholder mit einem etwas reduzierten Aufwand zu decken.
Inhaltliche Ausweitung
Daneben wird die nichtfinanzielle Berichterstattung inhaltlich ausgeweitet. Dazu werden durch die Europäische Kommission verbindliche Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (sustainability reporting standards) veröffentlicht, welche zu einer Vereinheitlichung führen sollen.
Inhaltlich sollen Gesellschaften nicht nur angeben müssen, wie Nachhaltigkeitsaspekte ihr Unternehmen beeinflussen, sondern auch, wie sich ihr Unternehmen auf die Menschen und die Umwelt auswirkt. Der Bilanzeid der Geschäftsführung soll sich künftig zudem auf die nichtfinanzielle Berichterstattung beziehen.
Fazit
Mit einer Verabschiedung der Richtlinie ist noch im Jahr 2021 zu rechnen. Die ersten Standards könnten bereits im Jahr 2022 von der Europäischen Kommission angenommen werden und das Berichtsjahr 2023 betreffen, womit erstmals Anfang 2024 die neuen Standards anzuwenden wären.
Es kann wohl als gesichert angesehen werden, dass der Kreis der Berichtspflichtigen stark anwachsen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung qualitativ mit der Finanzberichterstattung gleichziehen wird. Damit müssen diese Themen bereits bei der 2023 erfolgenden Vorbereitung und Planung der Erstellung des Abschlusses für 2023 und der Festlegung des Zeitplans für die Prüfung berücksichtigt werden.
Das scheint erst einmal noch weit weg. Jedoch geht es hier auch um Inhalte, die im Unternehmen erarbeitet und umgesetzt werden müssen, bevor es an die Berichterstattung geht. Denkt man dann noch an die Folgen aus dem gerade beschlossenen Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) – verstärkte interne und externe Rotation beim Abschlussprüfer, neue Kontrollsysteme, Einrichtung Prüfungsausschuss, etc. –, die umzusetzen sind, dann kann die Gesamtherausforderung gerade für mittelgroße Gesellschaften erheblich sein. Daher empfiehlt es sich, das Thema frühzeitig zu verfolgen und schon ab 2022 anzugehen.